Also sprach er; da ward Antinoos Herz noch erboßter; Drohend blickt' er ihn an, und sprach die geflügelten Worte:
Nun so sollst du gewiß aus diesem Saale nicht wieder 460 Unbeschädigt entrinnen, da du noch Schmähungen redest!
Sprachs, und warf mit dem Schemel die rechte Schulter Odüßeus Dicht am Gelenke des Halses. Er aber stand, wie ein Felsen, Fest, und wankte nicht von Antinoos mächtigem Wurfe; Sondern schüttelte schweigend das Haupt, und sann auf Verderben; 465 Ging dann zur Schwelle zurück, und sezte sich, legte den Ranzen Voll von Speise nieder, und sprach zu der Freier Versammlung:
Höret mich an, ihr Freier der weitgepriesenen Fürstin, Daß ich rede, wie mir das Herz im Busen gebietet. Nicht der mindeste Schmerz noch Kummer beuget die Seele 470 Eines Mannes, der, streitend für seine Güter, vom Feinde Wunden empfängt, für die Heerden der Rinder und wollichten Schafe: Doch Antinoos warf mich wegen des traurigen Hungers, Welcher den elenden Menschen so vielen Kummer verursacht! Aber beschüzt auch die Armen der Götter und Göttinnen Rache, 475 Dann ereile der Tod Antinoos vor der Vermählung!
Und Eupeithäs Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort: Fremdling, size geruhig und iß, oder gehe von hinnen; Daß dich die Jünglinge nicht bei den Händen und Füßen, du Schwäzer, Durch den Palast fortschleppen, und deine Glieder zerreißen! 480
Also sprach er; allein die übrigen zürnten ihm heftig. Also redete mancher der übermütigen Freier:
Uebel, Antinoos, thatst du, den armen Fremdling zu werfen! Unglückseliger! wenn er nun gar ein Himmlischer wäre! Denn oft tragen die Götter entfernter Fremdlinge Bildung; 485
Siebzehnter Geſang.
Alſo ſprach er; da ward Antinoos Herz noch erboßter; Drohend blickt' er ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:
Nun ſo ſollſt du gewiß aus dieſem Saale nicht wieder 460 Unbeſchaͤdigt entrinnen, da du noch Schmaͤhungen redeſt!
Sprachs, und warf mit dem Schemel die rechte Schulter Oduͤßeus Dicht am Gelenke des Halſes. Er aber ſtand, wie ein Felſen, Feſt, und wankte nicht von Antinoos maͤchtigem Wurfe; Sondern ſchuͤttelte ſchweigend das Haupt, und ſann auf Verderben; 465 Ging dann zur Schwelle zuruͤck, und ſezte ſich, legte den Ranzen Voll von Speiſe nieder, und ſprach zu der Freier Verſammlung:
Hoͤret mich an, ihr Freier der weitgeprieſenen Fuͤrſtin, Daß ich rede, wie mir das Herz im Buſen gebietet. Nicht der mindeſte Schmerz noch Kummer beuget die Seele 470 Eines Mannes, der, ſtreitend fuͤr ſeine Guͤter, vom Feinde Wunden empfaͤngt, fuͤr die Heerden der Rinder und wollichten Schafe: Doch Antinoos warf mich wegen des traurigen Hungers, Welcher den elenden Menſchen ſo vielen Kummer verurſacht! Aber beſchuͤzt auch die Armen der Goͤtter und Goͤttinnen Rache, 475 Dann ereile der Tod Antinoos vor der Vermaͤhlung!
Und Eupeithaͤs Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort: Fremdling, ſize geruhig und iß, oder gehe von hinnen; Daß dich die Juͤnglinge nicht bei den Haͤnden und Fuͤßen, du Schwaͤzer, Durch den Palaſt fortſchleppen, und deine Glieder zerreißen! 480
Alſo ſprach er; allein die uͤbrigen zuͤrnten ihm heftig. Alſo redete mancher der uͤbermuͤtigen Freier:
Uebel, Antinoos, thatſt du, den armen Fremdling zu werfen! Ungluͤckſeliger! wenn er nun gar ein Himmliſcher waͤre! Denn oft tragen die Goͤtter entfernter Fremdlinge Bildung; 485
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0345"n="339"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#g">Siebzehnter Geſang.</hi></fw><lb/><p>Alſo ſprach er; da ward Antinoos Herz noch erboßter;<lb/>
Drohend blickt' er ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:</p><lb/><p>Nun ſo ſollſt du gewiß aus dieſem Saale nicht wieder <noteplace="right">460</note><lb/>
Unbeſchaͤdigt entrinnen, da du noch Schmaͤhungen redeſt!</p><lb/><p>Sprachs, und warf mit dem Schemel die rechte Schulter Oduͤßeus<lb/>
Dicht am Gelenke des Halſes. Er aber ſtand, wie ein Felſen,<lb/>
Feſt, und wankte nicht von Antinoos maͤchtigem Wurfe;<lb/>
Sondern ſchuͤttelte ſchweigend das Haupt, und ſann auf Verderben; <noteplace="right">465</note><lb/>
Ging dann zur Schwelle zuruͤck, und ſezte ſich, legte den Ranzen<lb/>
Voll von Speiſe nieder, und ſprach zu der Freier Verſammlung:</p><lb/><p>Hoͤret mich an, ihr Freier der weitgeprieſenen Fuͤrſtin,<lb/>
Daß ich rede, wie mir das Herz im Buſen gebietet.<lb/>
Nicht der mindeſte Schmerz noch Kummer beuget die Seele <noteplace="right">470</note><lb/>
Eines Mannes, der, ſtreitend fuͤr ſeine Guͤter, vom Feinde<lb/>
Wunden empfaͤngt, fuͤr die Heerden der Rinder und wollichten Schafe:<lb/>
Doch Antinoos warf mich wegen des traurigen Hungers,<lb/>
Welcher den elenden Menſchen ſo vielen Kummer verurſacht!<lb/>
Aber beſchuͤzt auch die Armen der Goͤtter und Goͤttinnen Rache, <noteplace="right">475</note><lb/>
Dann ereile der Tod Antinoos vor der Vermaͤhlung!</p><lb/><p>Und Eupeithaͤs Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort:<lb/>
Fremdling, ſize geruhig und iß, oder gehe von hinnen;<lb/>
Daß dich die Juͤnglinge nicht bei den Haͤnden und Fuͤßen, du Schwaͤzer,<lb/>
Durch den Palaſt fortſchleppen, und deine Glieder zerreißen! <noteplace="right">480</note></p><lb/><p>Alſo ſprach er; allein die uͤbrigen zuͤrnten ihm heftig.<lb/>
Alſo redete mancher der uͤbermuͤtigen Freier:</p><lb/><p>Uebel, Antinoos, thatſt du, den armen Fremdling zu werfen!<lb/>
Ungluͤckſeliger! wenn er nun gar ein Himmliſcher waͤre!<lb/>
Denn oft tragen die Goͤtter entfernter Fremdlinge Bildung; <noteplace="right">485</note><lb/></p></div></body></text></TEI>
[339/0345]
Siebzehnter Geſang.
Alſo ſprach er; da ward Antinoos Herz noch erboßter;
Drohend blickt' er ihn an, und ſprach die gefluͤgelten Worte:
Nun ſo ſollſt du gewiß aus dieſem Saale nicht wieder
Unbeſchaͤdigt entrinnen, da du noch Schmaͤhungen redeſt!
460
Sprachs, und warf mit dem Schemel die rechte Schulter Oduͤßeus
Dicht am Gelenke des Halſes. Er aber ſtand, wie ein Felſen,
Feſt, und wankte nicht von Antinoos maͤchtigem Wurfe;
Sondern ſchuͤttelte ſchweigend das Haupt, und ſann auf Verderben;
Ging dann zur Schwelle zuruͤck, und ſezte ſich, legte den Ranzen
Voll von Speiſe nieder, und ſprach zu der Freier Verſammlung:
465
Hoͤret mich an, ihr Freier der weitgeprieſenen Fuͤrſtin,
Daß ich rede, wie mir das Herz im Buſen gebietet.
Nicht der mindeſte Schmerz noch Kummer beuget die Seele
Eines Mannes, der, ſtreitend fuͤr ſeine Guͤter, vom Feinde
Wunden empfaͤngt, fuͤr die Heerden der Rinder und wollichten Schafe:
Doch Antinoos warf mich wegen des traurigen Hungers,
Welcher den elenden Menſchen ſo vielen Kummer verurſacht!
Aber beſchuͤzt auch die Armen der Goͤtter und Goͤttinnen Rache,
Dann ereile der Tod Antinoos vor der Vermaͤhlung!
470
475
Und Eupeithaͤs Sohn Antinoos gab ihm zur Antwort:
Fremdling, ſize geruhig und iß, oder gehe von hinnen;
Daß dich die Juͤnglinge nicht bei den Haͤnden und Fuͤßen, du Schwaͤzer,
Durch den Palaſt fortſchleppen, und deine Glieder zerreißen!
480
Alſo ſprach er; allein die uͤbrigen zuͤrnten ihm heftig.
Alſo redete mancher der uͤbermuͤtigen Freier:
Uebel, Antinoos, thatſt du, den armen Fremdling zu werfen!
Ungluͤckſeliger! wenn er nun gar ein Himmliſcher waͤre!
Denn oft tragen die Goͤtter entfernter Fremdlinge Bildung;
485
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 339. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/345>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.