Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Zweiter Gesang. Tief ins Verderben gestürzt, und all mein Vermögen zertrümmert!Meine Mutter umdrängen mit ungestümer Bewerbung 50 Freier, geliebte Söhne der Edelsten unseres Volkes. Diese scheuen sich nun, zu Ikarios Hause zu wandeln, Ihres Vaters, daß Er mit reichem Schaze die Tochter Gäbe, welchem er wollte, und wer ihm vor allen gefiele; Sondern sie schalten von Tage zu Tag' in unserm Palaste, 55 Schlachten unsere Rinder und Schaf' und gemästeten Ziegen Für den üppigen Schmaus, und schwelgen im funkelnden Weine Ohne Scheu; und alles wird leer; denn es fehlt uns ein solcher Mann, wie Odüßeus war, die Plage vom Hause zu wenden! Wir vermögen sie nicht zu wenden, und ach auf immer 60 Werden wir hülflos sein, und niemals Tapferkeit üben! Wahrlich ich wendete sie, wenn ich nur Stärke besäße! Ganz unerträglich begegnet man mir, ganz wider die Ordnung Wird mir mein Haus zerrüttet! Erkennt doch selber das Unrecht, Oder scheuet euch doch vor andern benachbarten Völkern, 65 Welche rings uns umwohnen, und bebt vor der Rache der Götter, Daß sie euch nicht im Zorne die Uebelthaten vergelten! Freunde, ich fleh euch bei Zeus, dem Gott des Olümpos, und Themis, V. 68. Welche die Menschen zum Rath versammelt, und wieder zerstreuet: Haltet ein, und begnügt euch, daß mich der traurigste Kummer 70 Quält! Hat etwa je mein guter Vater Odüßeus Euch vorsäzlich beleidigt, ihr schöngeharnischten Griecheu, Daß ihr mich zum Vergelt vorsezlich wieder beleidigt; V. 68. Themis, die Göttin der Gerechtigkeit, waltete anfangs über alle öf-
fentlichen Geschäfte. Zweiter Geſang. Tief ins Verderben geſtuͤrzt, und all mein Vermoͤgen zertruͤmmert!Meine Mutter umdraͤngen mit ungeſtuͤmer Bewerbung 50 Freier, geliebte Soͤhne der Edelſten unſeres Volkes. Dieſe ſcheuen ſich nun, zu Ikarios Hauſe zu wandeln, Ihres Vaters, daß Er mit reichem Schaze die Tochter Gaͤbe, welchem er wollte, und wer ihm vor allen gefiele; Sondern ſie ſchalten von Tage zu Tag' in unſerm Palaſte, 55 Schlachten unſere Rinder und Schaf' und gemaͤſteten Ziegen Fuͤr den uͤppigen Schmaus, und ſchwelgen im funkelnden Weine Ohne Scheu; und alles wird leer; denn es fehlt uns ein ſolcher Mann, wie Oduͤßeus war, die Plage vom Hauſe zu wenden! Wir vermoͤgen ſie nicht zu wenden, und ach auf immer 60 Werden wir huͤlflos ſein, und niemals Tapferkeit uͤben! Wahrlich ich wendete ſie, wenn ich nur Staͤrke beſaͤße! Ganz unertraͤglich begegnet man mir, ganz wider die Ordnung Wird mir mein Haus zerruͤttet! Erkennt doch ſelber das Unrecht, Oder ſcheuet euch doch vor andern benachbarten Voͤlkern, 65 Welche rings uns umwohnen, und bebt vor der Rache der Goͤtter, Daß ſie euch nicht im Zorne die Uebelthaten vergelten! Freunde, ich fleh euch bei Zeus, dem Gott des Oluͤmpos, und Themis, V. 68. Welche die Menſchen zum Rath verſammelt, und wieder zerſtreuet: Haltet ein, und begnuͤgt euch, daß mich der traurigſte Kummer 70 Quaͤlt! Hat etwa je mein guter Vater Oduͤßeus Euch vorſaͤzlich beleidigt, ihr ſchoͤngeharniſchten Griecheu, Daß ihr mich zum Vergelt vorſezlich wieder beleidigt; V. 68. Themis, die Goͤttin der Gerechtigkeit, waltete anfangs uͤber alle oͤf-
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Zweiter Geſang.
Tief ins Verderben geſtuͤrzt, und all mein Vermoͤgen zertruͤmmert!
Meine Mutter umdraͤngen mit ungeſtuͤmer Bewerbung
Freier, geliebte Soͤhne der Edelſten unſeres Volkes.
Dieſe ſcheuen ſich nun, zu Ikarios Hauſe zu wandeln,
Ihres Vaters, daß Er mit reichem Schaze die Tochter
Gaͤbe, welchem er wollte, und wer ihm vor allen gefiele;
Sondern ſie ſchalten von Tage zu Tag' in unſerm Palaſte,
Schlachten unſere Rinder und Schaf' und gemaͤſteten Ziegen
Fuͤr den uͤppigen Schmaus, und ſchwelgen im funkelnden Weine
Ohne Scheu; und alles wird leer; denn es fehlt uns ein ſolcher
Mann, wie Oduͤßeus war, die Plage vom Hauſe zu wenden!
Wir vermoͤgen ſie nicht zu wenden, und ach auf immer
Werden wir huͤlflos ſein, und niemals Tapferkeit uͤben!
Wahrlich ich wendete ſie, wenn ich nur Staͤrke beſaͤße!
Ganz unertraͤglich begegnet man mir, ganz wider die Ordnung
Wird mir mein Haus zerruͤttet! Erkennt doch ſelber das Unrecht,
Oder ſcheuet euch doch vor andern benachbarten Voͤlkern,
Welche rings uns umwohnen, und bebt vor der Rache der Goͤtter,
Daß ſie euch nicht im Zorne die Uebelthaten vergelten!
Freunde, ich fleh euch bei Zeus, dem Gott des Oluͤmpos, und Themis, V. 68.
Welche die Menſchen zum Rath verſammelt, und wieder zerſtreuet:
Haltet ein, und begnuͤgt euch, daß mich der traurigſte Kummer
Quaͤlt! Hat etwa je mein guter Vater Oduͤßeus
Euch vorſaͤzlich beleidigt, ihr ſchoͤngeharniſchten Griecheu,
Daß ihr mich zum Vergelt vorſezlich wieder beleidigt;
50
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60
65
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V. 68. Themis, die Goͤttin der Gerechtigkeit, waltete anfangs uͤber alle oͤf-
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