Und Antinoos schalt ihn, und sprach mit drohender Stimme:
Wärst du doch todt, Großpraler, ja wärst du nimmer geboren, Da du vor diesem so bebst, und so entsezlich dich anstellst, Vor dem alten Manne, den mancherlei Elend geschwächt hat! 80 Aber ich sage dir an, und das wird wahrlich erfüllet: Schlägt dich dieser zu Boden, und geht als Sieger vom Kampfplaz; Siehe dann send' ich dich gleich im schwarzen Schiffe zum König Echetos in Epeiros, dem Schrecken des Menschengeschlechtes: V. 84. Daß er dir Nas' und Ohren mit grausamen Erze verstümmle, 85 Und die entrißene Scham den Hunden gebe zu freßen!
Sprachs; da zitterte jener noch stärker an Händen und Füßen. Aber sie führten ihn hin; und beide erhuben die Fäuste. Nun rathschlagte bei sich der herliche Dulder Odüßeus: Ob er ihn schlüge, daß gleich auf der Stelle sein Leben entflöhe; 90 Oder mit sanftem Schlage nur bloß auf den Boden ihn streckte. Dieser Gedanke schien dem Zweifelnden endlich der beßte: Sanft zu schlagen, um nicht den Achaiern Verdacht zu erwecken. Iros schlug mit der Faust die rechte Schulter Odüßeus; Dieser ihm unter das Ohr an den Hals, daß der Kiefer des Bettlers 95 Knirschend zerbrach, und purpurnes Blut dem Rachen entstürzte. Schreiend fiel er zu Boden, ihm klappten die Zähn', und die Füße Zappelten stäubend im Sand. Da erhuben die mutigen Freier Jauchzend die Händ', und lachten sich athemlos. Aber Odüßeus
V. 84. Die Epirer waren das äußerste Volk, das Homer jenseits der Thespro- ten am adriatischen Meerbusen kannte, und wohin noch wenig Menschlichkeit ge- kommen war. Man erzählt, Echetos habe seine Tochter, wegen einer Liebesge- schichte, geblendet und eiserne Gerstenkörner malen lassen, und ihrem Liebhaber das gethan, was hier dem Bettler gedroht wird.
Oduͤßee.
Und Antinoos ſchalt ihn, und ſprach mit drohender Stimme:
Waͤrſt du doch todt, Großpraler, ja waͤrſt du nimmer geboren, Da du vor dieſem ſo bebſt, und ſo entſezlich dich anſtellſt, Vor dem alten Manne, den mancherlei Elend geſchwaͤcht hat! 80 Aber ich ſage dir an, und das wird wahrlich erfuͤllet: Schlaͤgt dich dieſer zu Boden, und geht als Sieger vom Kampfplaz; Siehe dann ſend' ich dich gleich im ſchwarzen Schiffe zum Koͤnig Echetos in Epeiros, dem Schrecken des Menſchengeſchlechtes: V. 84. Daß er dir Naſ' und Ohren mit grauſamen Erze verſtuͤmmle, 85 Und die entrißene Scham den Hunden gebe zu freßen!
Sprachs; da zitterte jener noch ſtaͤrker an Haͤnden und Fuͤßen. Aber ſie fuͤhrten ihn hin; und beide erhuben die Faͤuſte. Nun rathſchlagte bei ſich der herliche Dulder Oduͤßeus: Ob er ihn ſchluͤge, daß gleich auf der Stelle ſein Leben entfloͤhe; 90 Oder mit ſanftem Schlage nur bloß auf den Boden ihn ſtreckte. Dieſer Gedanke ſchien dem Zweifelnden endlich der beßte: Sanft zu ſchlagen, um nicht den Achaiern Verdacht zu erwecken. Iros ſchlug mit der Fauſt die rechte Schulter Oduͤßeus; Dieſer ihm unter das Ohr an den Hals, daß der Kiefer des Bettlers 95 Knirſchend zerbrach, und purpurnes Blut dem Rachen entſtuͤrzte. Schreiend fiel er zu Boden, ihm klappten die Zaͤhn', und die Fuͤße Zappelten ſtaͤubend im Sand. Da erhuben die mutigen Freier Jauchzend die Haͤnd', und lachten ſich athemlos. Aber Oduͤßeus
V. 84. Die Epirer waren das aͤußerſte Volk, das Homer jenſeits der Thespro- ten am adriatiſchen Meerbuſen kannte, und wohin noch wenig Menſchlichkeit ge- kommen war. Man erzaͤhlt, Echetos habe ſeine Tochter, wegen einer Liebesge- ſchichte, geblendet und eiſerne Gerſtenkoͤrner malen laſſen, und ihrem Liebhaber das gethan, was hier dem Bettler gedroht wird.
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Oduͤßee.
Und Antinoos ſchalt ihn, und ſprach mit drohender Stimme:
Waͤrſt du doch todt, Großpraler, ja waͤrſt du nimmer geboren,
Da du vor dieſem ſo bebſt, und ſo entſezlich dich anſtellſt,
Vor dem alten Manne, den mancherlei Elend geſchwaͤcht hat!
Aber ich ſage dir an, und das wird wahrlich erfuͤllet:
Schlaͤgt dich dieſer zu Boden, und geht als Sieger vom Kampfplaz;
Siehe dann ſend' ich dich gleich im ſchwarzen Schiffe zum Koͤnig
Echetos in Epeiros, dem Schrecken des Menſchengeſchlechtes: V. 84.
Daß er dir Naſ' und Ohren mit grauſamen Erze verſtuͤmmle,
Und die entrißene Scham den Hunden gebe zu freßen!
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Sprachs; da zitterte jener noch ſtaͤrker an Haͤnden und Fuͤßen.
Aber ſie fuͤhrten ihn hin; und beide erhuben die Faͤuſte.
Nun rathſchlagte bei ſich der herliche Dulder Oduͤßeus:
Ob er ihn ſchluͤge, daß gleich auf der Stelle ſein Leben entfloͤhe;
Oder mit ſanftem Schlage nur bloß auf den Boden ihn ſtreckte.
Dieſer Gedanke ſchien dem Zweifelnden endlich der beßte:
Sanft zu ſchlagen, um nicht den Achaiern Verdacht zu erwecken.
Iros ſchlug mit der Fauſt die rechte Schulter Oduͤßeus;
Dieſer ihm unter das Ohr an den Hals, daß der Kiefer des Bettlers
Knirſchend zerbrach, und purpurnes Blut dem Rachen entſtuͤrzte.
Schreiend fiel er zu Boden, ihm klappten die Zaͤhn', und die Fuͤße
Zappelten ſtaͤubend im Sand. Da erhuben die mutigen Freier
Jauchzend die Haͤnd', und lachten ſich athemlos. Aber Oduͤßeus
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V. 84. Die Epirer waren das aͤußerſte Volk, das Homer jenſeits der Thespro-
ten am adriatiſchen Meerbuſen kannte, und wohin noch wenig Menſchlichkeit ge-
kommen war. Man erzaͤhlt, Echetos habe ſeine Tochter, wegen einer Liebesge-
ſchichte, geblendet und eiſerne Gerſtenkoͤrner malen laſſen, und ihrem Liebhaber
das gethan, was hier dem Bettler gedroht wird.
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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 348. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/354>, abgerufen am 02.07.2024.
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