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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Achzehnter Gesang.
Und er sezte sich nieder auf seinen verlaßenen Seßel.

Aber Ikarios Tochter, der klugen Pänelopeia
Gab Athänä, die Göttin mit blauen Augen, den Rath ein,
Sich den Freiern zu zeigen: aufdaß sie mit teuschender Hoffnung
Ihre Herzen noch mehr erweiterte, und bei Odüßeus 160
Und Tälemachos sich noch größere Achtung erwürbe.
Und sie erzwang ein Lächeln, und sprach mit freundlicher Stimme:

Jezt, Eurünomä, fühl' ich zum erstenmal ein Verlangen,
Mich den Freiern zu zeigen, wie sehr sie mir immer verhaßt sind.
Gerne möcht' ich den Sohn zu seinem Beßten erinnern, 165
Daß er ganz die Gesellschaft der stolzen Freier vermiede;
Denn sie reden zwar gut, doch heimlich denken sie Böses.

Aber die Schaffnerin Eurünomä gab ihr zur Antwort:
Wahrlich, mein Kind, du hast mit vielem Verstande geredet.
Gehe denn hin, und sprich mit deinem Sohne von Herzen; 170
Aber bade zuvor den Leib, und salbe dein Antliz.
Denn du mußt nicht so mit thränenumfloßenen Wangen
Hingehn; unaufhörlicher Gram vermehrt nur das Leiden!
Siehe, du hast den erwachsenen Sohn; und du wünschest ja herzlich,
Daß dir die Götter gewehrten, ihn einst im Barte zu sehen! 175

Ihr antwortete drauf die kluge Pänelopeia:
O! so gut du es meinst, Eurünomä, rathe mir das nicht,
Meinen Leib zu baden, und meine Wangen zu salben!
Denn die Liebe zum Schmuck ward mir von den himmlischen Göttern
Gänzlich geraubt, seit Jener in hohlen Schiffen hinwegfuhr! 180
Aber laß mir Autonoä gleich und Hippodameia
Kommen: sie sollen mich in den Saal hinunter begleiten;
Denn es ziemet mir nicht, allein zu Männern zu gehen.

Achzehnter Geſang.
Und er ſezte ſich nieder auf ſeinen verlaßenen Seßel.

Aber Ikarios Tochter, der klugen Paͤnelopeia
Gab Athaͤnaͤ, die Goͤttin mit blauen Augen, den Rath ein,
Sich den Freiern zu zeigen: aufdaß ſie mit teuſchender Hoffnung
Ihre Herzen noch mehr erweiterte, und bei Oduͤßeus 160
Und Taͤlemachos ſich noch groͤßere Achtung erwuͤrbe.
Und ſie erzwang ein Laͤcheln, und ſprach mit freundlicher Stimme:

Jezt, Euruͤnomaͤ, fuͤhl' ich zum erſtenmal ein Verlangen,
Mich den Freiern zu zeigen, wie ſehr ſie mir immer verhaßt ſind.
Gerne moͤcht' ich den Sohn zu ſeinem Beßten erinnern, 165
Daß er ganz die Geſellſchaft der ſtolzen Freier vermiede;
Denn ſie reden zwar gut, doch heimlich denken ſie Boͤſes.

Aber die Schaffnerin Euruͤnomaͤ gab ihr zur Antwort:
Wahrlich, mein Kind, du haſt mit vielem Verſtande geredet.
Gehe denn hin, und ſprich mit deinem Sohne von Herzen; 170
Aber bade zuvor den Leib, und ſalbe dein Antliz.
Denn du mußt nicht ſo mit thraͤnenumfloßenen Wangen
Hingehn; unaufhoͤrlicher Gram vermehrt nur das Leiden!
Siehe, du haſt den erwachſenen Sohn; und du wuͤnſcheſt ja herzlich,
Daß dir die Goͤtter gewehrten, ihn einſt im Barte zu ſehen! 175

Ihr antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia:
O! ſo gut du es meinſt, Euruͤnomaͤ, rathe mir das nicht,
Meinen Leib zu baden, und meine Wangen zu ſalben!
Denn die Liebe zum Schmuck ward mir von den himmliſchen Goͤttern
Gaͤnzlich geraubt, ſeit Jener in hohlen Schiffen hinwegfuhr! 180
Aber laß mir Autonoaͤ gleich und Hippodameia
Kommen: ſie ſollen mich in den Saal hinunter begleiten;
Denn es ziemet mir nicht, allein zu Maͤnnern zu gehen.

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[351/0357] Achzehnter Geſang. Und er ſezte ſich nieder auf ſeinen verlaßenen Seßel. Aber Ikarios Tochter, der klugen Paͤnelopeia Gab Athaͤnaͤ, die Goͤttin mit blauen Augen, den Rath ein, Sich den Freiern zu zeigen: aufdaß ſie mit teuſchender Hoffnung Ihre Herzen noch mehr erweiterte, und bei Oduͤßeus Und Taͤlemachos ſich noch groͤßere Achtung erwuͤrbe. Und ſie erzwang ein Laͤcheln, und ſprach mit freundlicher Stimme: 160 Jezt, Euruͤnomaͤ, fuͤhl' ich zum erſtenmal ein Verlangen, Mich den Freiern zu zeigen, wie ſehr ſie mir immer verhaßt ſind. Gerne moͤcht' ich den Sohn zu ſeinem Beßten erinnern, Daß er ganz die Geſellſchaft der ſtolzen Freier vermiede; Denn ſie reden zwar gut, doch heimlich denken ſie Boͤſes. 165 Aber die Schaffnerin Euruͤnomaͤ gab ihr zur Antwort: Wahrlich, mein Kind, du haſt mit vielem Verſtande geredet. Gehe denn hin, und ſprich mit deinem Sohne von Herzen; Aber bade zuvor den Leib, und ſalbe dein Antliz. Denn du mußt nicht ſo mit thraͤnenumfloßenen Wangen Hingehn; unaufhoͤrlicher Gram vermehrt nur das Leiden! Siehe, du haſt den erwachſenen Sohn; und du wuͤnſcheſt ja herzlich, Daß dir die Goͤtter gewehrten, ihn einſt im Barte zu ſehen! 170 175 Ihr antwortete drauf die kluge Paͤnelopeia: O! ſo gut du es meinſt, Euruͤnomaͤ, rathe mir das nicht, Meinen Leib zu baden, und meine Wangen zu ſalben! Denn die Liebe zum Schmuck ward mir von den himmliſchen Goͤttern Gaͤnzlich geraubt, ſeit Jener in hohlen Schiffen hinwegfuhr! Aber laß mir Autonoaͤ gleich und Hippodameia Kommen: ſie ſollen mich in den Saal hinunter begleiten; Denn es ziemet mir nicht, allein zu Maͤnnern zu gehen. 180

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 351. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/357>, abgerufen am 27.11.2024.