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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Achzehnter Gesang.
Und vor banger Begierde mit ihr das Lager zu theilen.
Und zu Tälemachos sprach die zärtliche Pänelopeia:

Sohn, in deinem Herzen ist weder Verstand noch Empfindung!
Weit vernünftiger hast du dich schon als Knabe bewiesen! 215
Nun da du größer bist, und des Jünglings Alter erreicht hast,
Und ein Fremder sogar aus der schönen und treflichen Bildung
Schließen kann, du seist von edlem Saamen entsproßen;
Siehe nun zeigt dein Herz so wenig Verstand als Empfindung!
Welch unwürdige That ist hier im Saale geschehen! 220
Da man den Fremdling so sehr mißhandelte, saßest du ruhig?
Aber wie? wenn ein Fremdling bei uns in unserem Hause
Hülfe sucht, und dann so schnöde Beleidigung duldet!
Dieses bringt dir ja Schimpf und Verachtung unter den Menschen!

Und der verständige Jüngling Tälemachos sagte dagegen: 225
Meine Mutter, ich will nicht murren, daß du mir zürnest.
Freilich fehlt es mir jezo nicht mehr an Verstand und Erfahrung,
Gutes und Böses zu sehn; (denn ehmals war ich ein Knabe!)
Aber ich kann nicht immer die klügsten Gedanken ersinnen;
Denn mich betäubt die Furcht vor diesen Uebelgesinnten, 230
Welche mich rings umgeben; und niemand ist, der mir helfe.
Aber des Fremdlings Kampf mit Iros endigte gleichwohl
Nicht nach der Freier Sinn; denn dieser war stärker als Iros.
Gäbe doch Vater Zeus, Athänä und Föbos Apollon,
Daß auch jezo die Freier, in unserem Hause bezwungen, 235
So ihr schwindelndes Haupt hinneigeten, draußen im Vorhof,
Oder auch hier im Saal, an allen Gliedern gelähmet:
So wie dort an der Pforte des Hofs der zerschlagene Iros

Z

Achzehnter Geſang.
Und vor banger Begierde mit ihr das Lager zu theilen.
Und zu Taͤlemachos ſprach die zaͤrtliche Paͤnelopeia:

Sohn, in deinem Herzen iſt weder Verſtand noch Empfindung!
Weit vernuͤnftiger haſt du dich ſchon als Knabe bewieſen! 215
Nun da du groͤßer biſt, und des Juͤnglings Alter erreicht haſt,
Und ein Fremder ſogar aus der ſchoͤnen und treflichen Bildung
Schließen kann, du ſeiſt von edlem Saamen entſproßen;
Siehe nun zeigt dein Herz ſo wenig Verſtand als Empfindung!
Welch unwuͤrdige That iſt hier im Saale geſchehen! 220
Da man den Fremdling ſo ſehr mißhandelte, ſaßeſt du ruhig?
Aber wie? wenn ein Fremdling bei uns in unſerem Hauſe
Huͤlfe ſucht, und dann ſo ſchnoͤde Beleidigung duldet!
Dieſes bringt dir ja Schimpf und Verachtung unter den Menſchen!

Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: 225
Meine Mutter, ich will nicht murren, daß du mir zuͤrneſt.
Freilich fehlt es mir jezo nicht mehr an Verſtand und Erfahrung,
Gutes und Boͤſes zu ſehn; (denn ehmals war ich ein Knabe!)
Aber ich kann nicht immer die kluͤgſten Gedanken erſinnen;
Denn mich betaͤubt die Furcht vor dieſen Uebelgeſinnten, 230
Welche mich rings umgeben; und niemand iſt, der mir helfe.
Aber des Fremdlings Kampf mit Iros endigte gleichwohl
Nicht nach der Freier Sinn; denn dieſer war ſtaͤrker als Iros.
Gaͤbe doch Vater Zeus, Athaͤnaͤ und Foͤbos Apollon,
Daß auch jezo die Freier, in unſerem Hauſe bezwungen, 235
So ihr ſchwindelndes Haupt hinneigeten, draußen im Vorhof,
Oder auch hier im Saal, an allen Gliedern gelaͤhmet:
So wie dort an der Pforte des Hofs der zerſchlagene Iros

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[353/0359] Achzehnter Geſang. Und vor banger Begierde mit ihr das Lager zu theilen. Und zu Taͤlemachos ſprach die zaͤrtliche Paͤnelopeia: Sohn, in deinem Herzen iſt weder Verſtand noch Empfindung! Weit vernuͤnftiger haſt du dich ſchon als Knabe bewieſen! Nun da du groͤßer biſt, und des Juͤnglings Alter erreicht haſt, Und ein Fremder ſogar aus der ſchoͤnen und treflichen Bildung Schließen kann, du ſeiſt von edlem Saamen entſproßen; Siehe nun zeigt dein Herz ſo wenig Verſtand als Empfindung! Welch unwuͤrdige That iſt hier im Saale geſchehen! Da man den Fremdling ſo ſehr mißhandelte, ſaßeſt du ruhig? Aber wie? wenn ein Fremdling bei uns in unſerem Hauſe Huͤlfe ſucht, und dann ſo ſchnoͤde Beleidigung duldet! Dieſes bringt dir ja Schimpf und Verachtung unter den Menſchen! 215 220 Und der verſtaͤndige Juͤngling Taͤlemachos ſagte dagegen: Meine Mutter, ich will nicht murren, daß du mir zuͤrneſt. Freilich fehlt es mir jezo nicht mehr an Verſtand und Erfahrung, Gutes und Boͤſes zu ſehn; (denn ehmals war ich ein Knabe!) Aber ich kann nicht immer die kluͤgſten Gedanken erſinnen; Denn mich betaͤubt die Furcht vor dieſen Uebelgeſinnten, Welche mich rings umgeben; und niemand iſt, der mir helfe. Aber des Fremdlings Kampf mit Iros endigte gleichwohl Nicht nach der Freier Sinn; denn dieſer war ſtaͤrker als Iros. Gaͤbe doch Vater Zeus, Athaͤnaͤ und Foͤbos Apollon, Daß auch jezo die Freier, in unſerem Hauſe bezwungen, So ihr ſchwindelndes Haupt hinneigeten, draußen im Vorhof, Oder auch hier im Saal, an allen Gliedern gelaͤhmet: So wie dort an der Pforte des Hofs der zerſchlagene Iros 225 230 235 Z

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/359>, abgerufen am 26.11.2024.