Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Odüßee. Deinen Söhnen daheim, daß ihnen kein Uebel begegne! 180Dieses versteh ich selber, und beßer als du, zu deuten! Freilich schweben der Vögel genung in den Stralen der Sonne, Aber nicht alle verkünden ein Schicksal! Wahrlich Odüßeus Starb in der Fern'! O wärest auch du mit ihm ins Verderben Hingefahren! Dann schwaztest du hier nicht so viel von der Zukunft, 185 Suchtest nicht Tälemachos Groll noch mehr zu erbittern, Harrend, ob er vielleicht dein Haus mit Geschenken bereichre! Aber ich sage dir an, und das wird wahrlich erfüllet! Wo du den Jüngling dort, kraft deiner alten Erfahrung, Durch dein schlaues Geschwäz aufwiegelst, sich wild zu gebehrden; 190 Dann wird er selber zuerst noch tiefer sinken in Drangsal, Und im geringsten nichts vor diesen Männern vermögen. Und du sollst es, o Greis, mit schwerer kränkender Buße Uns entgelten, damit du es tief in der Seele bereuest! Aber Tälemachos höre statt aller nun meinen Rath an: 195 Zwing' er die Mutter zum Hause des Vaters wiederzukehren! Dort bereite man ihr die Hochzeit, und state sie reichlich Ihrem Bräutigam aus, wie lieben Töchtern gebühret! Eher werden gewiß der Achaier Söhne nicht abstehn, Pänelopeia zu drängen; denn siehe! wir zittern vor Niemand, 200 Selbst vor Tälemachos nicht, und wär' er auch noch so gesprächig! Achten auch der Deutungen nicht, die du eben, o Alter, So in den Wind hinschwaztest! Du wirst uns nur immer verhaßter! Unser schwelgende Schmaus soll wieder beginnen, und niemals Ordnung im Hause bestehn, bis jene sich den Achaiern 205 Wegen der Hochzeit erklärt; wir wollen in steter Erwartung, Künftig wie vor, um den Preis wetteifern, und nimmer zu andern Oduͤßee. Deinen Soͤhnen daheim, daß ihnen kein Uebel begegne! 180Dieſes verſteh ich ſelber, und beßer als du, zu deuten! Freilich ſchweben der Voͤgel genung in den Stralen der Sonne, Aber nicht alle verkuͤnden ein Schickſal! Wahrlich Oduͤßeus Starb in der Fern'! O waͤreſt auch du mit ihm ins Verderben Hingefahren! Dann ſchwazteſt du hier nicht ſo viel von der Zukunft, 185 Suchteſt nicht Taͤlemachos Groll noch mehr zu erbittern, Harrend, ob er vielleicht dein Haus mit Geſchenken bereichre! Aber ich ſage dir an, und das wird wahrlich erfuͤllet! Wo du den Juͤngling dort, kraft deiner alten Erfahrung, Durch dein ſchlaues Geſchwaͤz aufwiegelſt, ſich wild zu gebehrden; 190 Dann wird er ſelber zuerſt noch tiefer ſinken in Drangſal, Und im geringſten nichts vor dieſen Maͤnnern vermoͤgen. Und du ſollſt es, o Greis, mit ſchwerer kraͤnkender Buße Uns entgelten, damit du es tief in der Seele bereueſt! Aber Taͤlemachos hoͤre ſtatt aller nun meinen Rath an: 195 Zwing' er die Mutter zum Hauſe des Vaters wiederzukehren! Dort bereite man ihr die Hochzeit, und ſtate ſie reichlich Ihrem Braͤutigam aus, wie lieben Toͤchtern gebuͤhret! Eher werden gewiß der Achaier Soͤhne nicht abſtehn, Paͤnelopeia zu draͤngen; denn ſiehe! wir zittern vor Niemand, 200 Selbſt vor Taͤlemachos nicht, und waͤr' er auch noch ſo geſpraͤchig! Achten auch der Deutungen nicht, die du eben, o Alter, So in den Wind hinſchwazteſt! Du wirſt uns nur immer verhaßter! Unſer ſchwelgende Schmaus ſoll wieder beginnen, und niemals Ordnung im Hauſe beſtehn, bis jene ſich den Achaiern 205 Wegen der Hochzeit erklaͤrt; wir wollen in ſteter Erwartung, Kuͤnftig wie vor, um den Preis wetteifern, und nimmer zu andern <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0040" n="34"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Oduͤßee.</hi></fw><lb/> Deinen Soͤhnen daheim, daß ihnen kein Uebel begegne! <note place="right">180</note><lb/> Dieſes verſteh ich ſelber, und beßer als du, zu deuten!<lb/> Freilich ſchweben der Voͤgel genung in den Stralen der Sonne,<lb/> Aber nicht alle verkuͤnden ein Schickſal! Wahrlich Oduͤßeus<lb/> Starb in der Fern'! 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Oduͤßee.
Deinen Soͤhnen daheim, daß ihnen kein Uebel begegne!
Dieſes verſteh ich ſelber, und beßer als du, zu deuten!
Freilich ſchweben der Voͤgel genung in den Stralen der Sonne,
Aber nicht alle verkuͤnden ein Schickſal! Wahrlich Oduͤßeus
Starb in der Fern'! O waͤreſt auch du mit ihm ins Verderben
Hingefahren! Dann ſchwazteſt du hier nicht ſo viel von der Zukunft,
Suchteſt nicht Taͤlemachos Groll noch mehr zu erbittern,
Harrend, ob er vielleicht dein Haus mit Geſchenken bereichre!
Aber ich ſage dir an, und das wird wahrlich erfuͤllet!
Wo du den Juͤngling dort, kraft deiner alten Erfahrung,
Durch dein ſchlaues Geſchwaͤz aufwiegelſt, ſich wild zu gebehrden;
Dann wird er ſelber zuerſt noch tiefer ſinken in Drangſal,
Und im geringſten nichts vor dieſen Maͤnnern vermoͤgen.
Und du ſollſt es, o Greis, mit ſchwerer kraͤnkender Buße
Uns entgelten, damit du es tief in der Seele bereueſt!
Aber Taͤlemachos hoͤre ſtatt aller nun meinen Rath an:
Zwing' er die Mutter zum Hauſe des Vaters wiederzukehren!
Dort bereite man ihr die Hochzeit, und ſtate ſie reichlich
Ihrem Braͤutigam aus, wie lieben Toͤchtern gebuͤhret!
Eher werden gewiß der Achaier Soͤhne nicht abſtehn,
Paͤnelopeia zu draͤngen; denn ſiehe! wir zittern vor Niemand,
Selbſt vor Taͤlemachos nicht, und waͤr' er auch noch ſo geſpraͤchig!
Achten auch der Deutungen nicht, die du eben, o Alter,
So in den Wind hinſchwazteſt! Du wirſt uns nur immer verhaßter!
Unſer ſchwelgende Schmaus ſoll wieder beginnen, und niemals
Ordnung im Hauſe beſtehn, bis jene ſich den Achaiern
Wegen der Hochzeit erklaͤrt; wir wollen in ſteter Erwartung,
Kuͤnftig wie vor, um den Preis wetteifern, und nimmer zu andern
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