Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.Zweiundzwanzigster Gesang. Trat, in der einen Hand den prächtigen Helm, in der andernEinen großen veralterten Schild des Helden Laertäs, Den er als Jüngling trug; doch jezo lag er im Winkel,185 Ganz von Schimmel entstellt, und es barsten die Näthe der Riemen: Siehe da stürzten sie beide hervor, und ergriffen und schleppten Ihn bei den Haaren hinein, und warfen den Jammernden nieder, Banden ihm Händ' und Füße mit schmerzender Feßel, gewaltsam Hinten am Rücken zusammengedreht, wie ihnen befohlen190 Hatte Laertäs Sohn, der herliche Dulder Odüßeus; Knüpften darauf an die Feßel ein starkes Seil, und zogen Ihn an die ragende Seule hinauf, bis dicht an die Balken. Höhnend sprachst du zu ihm, Eumaios, Hüter der Schweine: Jezo wirst du hier wohl die Nacht durchschlummern, Melantheus,195 Also ließ man ihn hangen, gespannt in der folternden Feßel.200 Mentor, stehe mir bei, und rette deinen Geliebten, Also sprach er, Athänä die Völkererhalterin ahnend.210 Zweiundzwanzigſter Geſang. Trat, in der einen Hand den praͤchtigen Helm, in der andernEinen großen veralterten Schild des Helden Laertaͤs, Den er als Juͤngling trug; doch jezo lag er im Winkel,185 Ganz von Schimmel entſtellt, und es barſten die Naͤthe der Riemen: Siehe da ſtuͤrzten ſie beide hervor, und ergriffen und ſchleppten Ihn bei den Haaren hinein, und warfen den Jammernden nieder, Banden ihm Haͤnd' und Fuͤße mit ſchmerzender Feßel, gewaltſam Hinten am Ruͤcken zuſammengedreht, wie ihnen befohlen190 Hatte Laertaͤs Sohn, der herliche Dulder Oduͤßeus; Knuͤpften darauf an die Feßel ein ſtarkes Seil, und zogen Ihn an die ragende Seule hinauf, bis dicht an die Balken. Hoͤhnend ſprachſt du zu ihm, Eumaios, Huͤter der Schweine: Jezo wirſt du hier wohl die Nacht durchſchlummern, Melantheus,195 Alſo ließ man ihn hangen, geſpannt in der folternden Feßel.200 Mentor, ſtehe mir bei, und rette deinen Geliebten, Alſo ſprach er, Athaͤnaͤ die Voͤlkererhalterin ahnend.210 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0429" n="423"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweiundzwanzigſter Geſang.</hi></fw><lb/> Trat, in der einen Hand den praͤchtigen Helm, in der andern<lb/> Einen großen veralterten Schild des Helden Laertaͤs,<lb/> Den er als Juͤngling trug; doch jezo lag er im Winkel,<note place="right">185</note><lb/> Ganz von Schimmel entſtellt, und es barſten die Naͤthe der Riemen:<lb/> Siehe da ſtuͤrzten ſie beide hervor, und ergriffen und ſchleppten<lb/> Ihn bei den Haaren hinein, und warfen den Jammernden nieder,<lb/> Banden ihm Haͤnd' und Fuͤße mit ſchmerzender Feßel, gewaltſam<lb/> Hinten am Ruͤcken zuſammengedreht, wie ihnen befohlen<note place="right">190</note><lb/> Hatte Laertaͤs Sohn, der herliche Dulder Oduͤßeus;<lb/> Knuͤpften darauf an die Feßel ein ſtarkes Seil, und zogen<lb/> Ihn an die ragende Seule hinauf, bis dicht an die Balken.<lb/> Hoͤhnend ſprachſt du zu ihm, Eumaios, Huͤter der Schweine:</p><lb/> <p>Jezo wirſt du hier wohl die Nacht durchſchlummern, Melantheus,<note place="right">195</note><lb/> Wann du im weichen Lager dich ausdehnſt, wie dir gebuͤhret;<lb/> Und du ſieheſt gewiß die ſchoͤne Morgenroͤthe<lb/> Aus des Ozeans Fluten hervorgehn, daß du den Freiern<lb/> Trefliche Ziegen bringeſt, im Saale den Schmaus zu bereiten.</p><lb/> <p>Alſo ließ man ihn hangen, geſpannt in der folternden Feßel.<note place="right">200</note><lb/> Jene nahmen die Ruͤſtung, und ſchloßen die ſchimmernde Pforte,<lb/> Eilten dann wieder zum tapfern erfindungsreichen Oduͤßeus.<lb/> Kriegsmut athmend ſtanden die Streitenden: hier auf der Schwelle<lb/> Vier, und dort in dem Saale ſo viel' und ſo ruͤſtige Maͤnner!<lb/> Siehe da nahte ſich Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ,<note place="right">205</note><lb/> Mentorn gleich in allem, ſowohl an Geſtalt wie an Stimme.<lb/> Freudig erblickte die Goͤttin der Held Oduͤßeus, und ſagte:</p><lb/> <p>Mentor, ſtehe mir bei, und rette deinen Geliebten,<lb/> Der dir Gutes gethan, und gleiches Alters mit dir iſt!</p><lb/> <p>Alſo ſprach er, Athaͤnaͤ die Voͤlkererhalterin ahnend.<note place="right">210</note><lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [423/0429]
Zweiundzwanzigſter Geſang.
Trat, in der einen Hand den praͤchtigen Helm, in der andern
Einen großen veralterten Schild des Helden Laertaͤs,
Den er als Juͤngling trug; doch jezo lag er im Winkel,
Ganz von Schimmel entſtellt, und es barſten die Naͤthe der Riemen:
Siehe da ſtuͤrzten ſie beide hervor, und ergriffen und ſchleppten
Ihn bei den Haaren hinein, und warfen den Jammernden nieder,
Banden ihm Haͤnd' und Fuͤße mit ſchmerzender Feßel, gewaltſam
Hinten am Ruͤcken zuſammengedreht, wie ihnen befohlen
Hatte Laertaͤs Sohn, der herliche Dulder Oduͤßeus;
Knuͤpften darauf an die Feßel ein ſtarkes Seil, und zogen
Ihn an die ragende Seule hinauf, bis dicht an die Balken.
Hoͤhnend ſprachſt du zu ihm, Eumaios, Huͤter der Schweine:
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Jezo wirſt du hier wohl die Nacht durchſchlummern, Melantheus,
Wann du im weichen Lager dich ausdehnſt, wie dir gebuͤhret;
Und du ſieheſt gewiß die ſchoͤne Morgenroͤthe
Aus des Ozeans Fluten hervorgehn, daß du den Freiern
Trefliche Ziegen bringeſt, im Saale den Schmaus zu bereiten.
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Alſo ließ man ihn hangen, geſpannt in der folternden Feßel.
Jene nahmen die Ruͤſtung, und ſchloßen die ſchimmernde Pforte,
Eilten dann wieder zum tapfern erfindungsreichen Oduͤßeus.
Kriegsmut athmend ſtanden die Streitenden: hier auf der Schwelle
Vier, und dort in dem Saale ſo viel' und ſo ruͤſtige Maͤnner!
Siehe da nahte ſich Zeus blauaͤugichte Tochter Athaͤnaͤ,
Mentorn gleich in allem, ſowohl an Geſtalt wie an Stimme.
Freudig erblickte die Goͤttin der Held Oduͤßeus, und ſagte:
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Mentor, ſtehe mir bei, und rette deinen Geliebten,
Der dir Gutes gethan, und gleiches Alters mit dir iſt!
Alſo ſprach er, Athaͤnaͤ die Voͤlkererhalterin ahnend.
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