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Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781.

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Odüßee.
Stimmten an den Gesang, und dreheten sich in der Mitte.

Aber die Roße hielten am Thore des hohen Palastes,20
Und Tälemachos harrte mit Nestors glänzendem Sohne.
Siehe da kam Eteoneus hervor, und sahe die Fremden,
Dieser geschäftige Diener des herlichen Menelaos.
Schnell durchlief er die Wohnung, und brachte dem Könige Botschaft,
Stellte sich nahe vor ihn, und sprach die geflügelten Worte:25

Fremde Männer sind draußen, o göttlicher Held Menelaos,
Zween an der Zahl, von Gestalt wie Söhne des großen Kronions!
Sage mir, sollen wir gleich abspannen die hurtigen Roße;
Oder sie weiter senden, damit sie ein andrer bewirte?

Voll Unwillens begann Menelaos der bräunlichgelockte:30
Ehmals warst du kein Thor, Boäthos Sohn Eteoneus;
Aber du plauderst jezt, wie ein Knabe, so thörichte Worte!
Wahrlich wir haben ja beid' in Häusern anderer Menschen
So viel Gutes genoßen, bis wir heimkehrten! Uns wolle
Zeus auch künftig vor Noth bewahren! Drum spanne die Roße35
Hurtig ab, und führe die Männer zu unserem Gastmahl!

Also sprach er; und schnell durcheilete jener die Wohnung,
Rief die geschäftigen Diener zusammen, daß sie ihm folgten.
Und nun spanneten sie vom Joche die schäumenden Roße,
Führten sie dann in den Stall, und banden sie fest an die Krippen,40
Schütteten Haber hinein, mit gelblicher Gerste gemenget,
Stellten darauf den Wagen an eine der schimmernden Wände,
Führten endlich die Männer hinein in die göttliche Wohnung.

Staunend sahn sie die Burg des göttergesegneten Königs.
Gleich dem Strale der Sonn', und gleich dem Schimmer des Mondes, 45
Blinkte die hohe Burg Menelaos des ehregekrönten.

Oduͤßee.
Stimmten an den Geſang, und dreheten ſich in der Mitte.

Aber die Roße hielten am Thore des hohen Palaſtes,20
Und Taͤlemachos harrte mit Neſtors glaͤnzendem Sohne.
Siehe da kam Eteoneus hervor, und ſahe die Fremden,
Dieſer geſchaͤftige Diener des herlichen Menelaos.
Schnell durchlief er die Wohnung, und brachte dem Koͤnige Botſchaft,
Stellte ſich nahe vor ihn, und ſprach die gefluͤgelten Worte:25

Fremde Maͤnner ſind draußen, o goͤttlicher Held Menelaos,
Zween an der Zahl, von Geſtalt wie Soͤhne des großen Kronions!
Sage mir, ſollen wir gleich abſpannen die hurtigen Roße;
Oder ſie weiter ſenden, damit ſie ein andrer bewirte?

Voll Unwillens begann Menelaos der braͤunlichgelockte:30
Ehmals warſt du kein Thor, Boaͤthos Sohn Eteoneus;
Aber du plauderſt jezt, wie ein Knabe, ſo thoͤrichte Worte!
Wahrlich wir haben ja beid' in Haͤuſern anderer Menſchen
So viel Gutes genoßen, bis wir heimkehrten! Uns wolle
Zeus auch kuͤnftig vor Noth bewahren! Drum ſpanne die Roße35
Hurtig ab, und fuͤhre die Maͤnner zu unſerem Gaſtmahl!

Alſo ſprach er; und ſchnell durcheilete jener die Wohnung,
Rief die geſchaͤftigen Diener zuſammen, daß ſie ihm folgten.
Und nun ſpanneten ſie vom Joche die ſchaͤumenden Roße,
Fuͤhrten ſie dann in den Stall, und banden ſie feſt an die Krippen,40
Schuͤtteten Haber hinein, mit gelblicher Gerſte gemenget,
Stellten darauf den Wagen an eine der ſchimmernden Waͤnde,
Fuͤhrten endlich die Maͤnner hinein in die goͤttliche Wohnung.

Staunend ſahn ſie die Burg des goͤttergeſegneten Koͤnigs.
Gleich dem Strale der Sonn', und gleich dem Schimmer des Mondes, 45
Blinkte die hohe Burg Menelaos des ehregekroͤnten.

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[64/0070] Oduͤßee. Stimmten an den Geſang, und dreheten ſich in der Mitte. Aber die Roße hielten am Thore des hohen Palaſtes, Und Taͤlemachos harrte mit Neſtors glaͤnzendem Sohne. Siehe da kam Eteoneus hervor, und ſahe die Fremden, Dieſer geſchaͤftige Diener des herlichen Menelaos. Schnell durchlief er die Wohnung, und brachte dem Koͤnige Botſchaft, Stellte ſich nahe vor ihn, und ſprach die gefluͤgelten Worte: 20 25 Fremde Maͤnner ſind draußen, o goͤttlicher Held Menelaos, Zween an der Zahl, von Geſtalt wie Soͤhne des großen Kronions! Sage mir, ſollen wir gleich abſpannen die hurtigen Roße; Oder ſie weiter ſenden, damit ſie ein andrer bewirte? Voll Unwillens begann Menelaos der braͤunlichgelockte: Ehmals warſt du kein Thor, Boaͤthos Sohn Eteoneus; Aber du plauderſt jezt, wie ein Knabe, ſo thoͤrichte Worte! Wahrlich wir haben ja beid' in Haͤuſern anderer Menſchen So viel Gutes genoßen, bis wir heimkehrten! Uns wolle Zeus auch kuͤnftig vor Noth bewahren! Drum ſpanne die Roße Hurtig ab, und fuͤhre die Maͤnner zu unſerem Gaſtmahl! 30 35 Alſo ſprach er; und ſchnell durcheilete jener die Wohnung, Rief die geſchaͤftigen Diener zuſammen, daß ſie ihm folgten. Und nun ſpanneten ſie vom Joche die ſchaͤumenden Roße, Fuͤhrten ſie dann in den Stall, und banden ſie feſt an die Krippen, Schuͤtteten Haber hinein, mit gelblicher Gerſte gemenget, Stellten darauf den Wagen an eine der ſchimmernden Waͤnde, Fuͤhrten endlich die Maͤnner hinein in die goͤttliche Wohnung. 40 Staunend ſahn ſie die Burg des goͤttergeſegneten Koͤnigs. Gleich dem Strale der Sonn', und gleich dem Schimmer des Mondes, Blinkte die hohe Burg Menelaos des ehregekroͤnten. 45

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Zitationshilfe: Homerus: Odüssee übersezt von Johann Heinrich Voß. Hamburg, 1781, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/voss_oduessee_1781/70>, abgerufen am 26.11.2024.