greifet doch, daß jedes Wesen nur aus den Kräften, die es vom Himmel erhalten hat, Bildungen aus sich herausschaffen kann, und daß einem jeden seine Schöpfungen gemäß seyn müssen. Und wenn ihr euch nicht in alle fremde Wesen hineinzufühlen, und durch ihr Gemüth hindurch ihre Werke zu empfinden vermöget; so versuchet wenig¬ stens, durch die Schlußketten des Verstan¬ des mittelbar an diese Überzeugung heranzu¬ reichen. --
Hätte die aussäende Hand des Himmels den Keim deiner Seele auf die afrikanischen Sandwüsten fallen lassen, so würdest du al¬ ler Welt das glänzende Schwarz der Haut, das dicke, stumpfe Gesicht, und die kurzen, krausen Haare, als wesentliche Theile der höchsten Schönheit angepredigt, und den er¬ sten weißen Menschen verlacht oder gehaßt haben. Wäre deine Seele einige hundert
greifet doch, daß jedes Weſen nur aus den Kräften, die es vom Himmel erhalten hat, Bildungen aus ſich herausſchaffen kann, und daß einem jeden ſeine Schöpfungen gemäß ſeyn müſſen. Und wenn ihr euch nicht in alle fremde Weſen hineinzufühlen, und durch ihr Gemüth hindurch ihre Werke zu empfinden vermöget; ſo verſuchet wenig¬ ſtens, durch die Schlußketten des Verſtan¬ des mittelbar an dieſe Überzeugung heranzu¬ reichen. —
Hätte die ausſäende Hand des Himmels den Keim deiner Seele auf die afrikaniſchen Sandwüſten fallen laſſen, ſo würdeſt du al¬ ler Welt das glänzende Schwarz der Haut, das dicke, ſtumpfe Geſicht, und die kurzen, krauſen Haare, als weſentliche Theile der höchſten Schönheit angepredigt, und den er¬ ſten weißen Menſchen verlacht oder gehaßt haben. Wäre deine Seele einige hundert
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greifet doch, daß jedes Weſen nur aus den
Kräften, die es vom Himmel erhalten hat,
Bildungen aus ſich herausſchaffen kann, und
daß einem jeden ſeine Schöpfungen gemäß
ſeyn müſſen. Und wenn ihr euch nicht in
alle fremde Weſen hineinzufühlen, und
durch ihr Gemüth hindurch ihre Werke zu
empfinden vermöget; ſo verſuchet wenig¬
ſtens, durch die Schlußketten des Verſtan¬
des mittelbar an dieſe Überzeugung heranzu¬
reichen. —
Hätte die ausſäende Hand des Himmels
den Keim deiner Seele auf die afrikaniſchen
Sandwüſten fallen laſſen, ſo würdeſt du al¬
ler Welt das glänzende Schwarz der Haut,
das dicke, ſtumpfe Geſicht, und die kurzen,
krauſen Haare, als weſentliche Theile der
höchſten Schönheit angepredigt, und den er¬
ſten weißen Menſchen verlacht oder gehaßt
haben. Wäre deine Seele einige hundert
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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/111>, abgerufen am 21.11.2024.
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