dem Gipfel eines hohen Berges stehen, und daß viele Länder und viele Zeiten unsern Augen offenbar, um uns herum und zu un¬ sern Füßen ausgebreitet liegen. So lasset uns denn dieses Glück benutzen, und mit hei¬ tern Blicken über alle Zeiten und Völker umherschweifen, und uns bestreben, an al¬ len ihren mannigfaltigen Empfindungen und Werken der Empfindung immer das Mensch¬ liche herauszufühlen. -- --
Jegliches Wesen strebt nach dem Schön¬ sten: aber es kann nicht aus sich heraus¬ gehen, und sieht das Schönste nur in sich. So wie in jedes sterbliche Auge ein anderes Bild des Regenbogens kommt, so wirft sich jedem, aus der umgebenden Welt, ein an¬ deres Abbild der Schönheit zurück. Die all¬ gemeine, ursprüngliche Schönheit aber, die wir nur in Momenten der verklärten An¬ schauung nennen, nicht in Worte auflösen
dem Gipfel eines hohen Berges ſtehen, und daß viele Länder und viele Zeiten unſern Augen offenbar, um uns herum und zu un¬ ſern Füßen ausgebreitet liegen. So laſſet uns denn dieſes Glück benutzen, und mit hei¬ tern Blicken über alle Zeiten und Völker umherſchweifen, und uns beſtreben, an al¬ len ihren mannigfaltigen Empfindungen und Werken der Empfindung immer das Menſch¬ liche herauszufühlen. — —
Jegliches Weſen ſtrebt nach dem Schön¬ ſten: aber es kann nicht aus ſich heraus¬ gehen, und ſieht das Schönſte nur in ſich. So wie in jedes ſterbliche Auge ein anderes Bild des Regenbogens kommt, ſo wirft ſich jedem, aus der umgebenden Welt, ein an¬ deres Abbild der Schönheit zurück. Die all¬ gemeine, urſprüngliche Schönheit aber, die wir nur in Momenten der verklärten An¬ ſchauung nennen, nicht in Worte auflöſen
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0115"n="107"/>
dem Gipfel eines hohen Berges ſtehen, und<lb/>
daß viele Länder und viele Zeiten unſern<lb/>
Augen offenbar, um uns herum und zu un¬<lb/>ſern Füßen ausgebreitet liegen. So laſſet<lb/>
uns denn dieſes Glück benutzen, und mit hei¬<lb/>
tern Blicken über alle Zeiten und Völker<lb/>
umherſchweifen, und uns beſtreben, an al¬<lb/>
len ihren mannigfaltigen Empfindungen und<lb/>
Werken der Empfindung immer <hirendition="#g">das Menſch¬<lb/>
liche</hi> herauszufühlen. ——</p><lb/><p>Jegliches Weſen ſtrebt nach dem Schön¬<lb/>ſten: aber es kann nicht aus ſich heraus¬<lb/>
gehen, und ſieht das Schönſte nur in ſich.<lb/>
So wie in jedes ſterbliche Auge ein anderes<lb/>
Bild des Regenbogens kommt, ſo wirft ſich<lb/>
jedem, aus der umgebenden Welt, ein an¬<lb/>
deres Abbild der Schönheit zurück. Die all¬<lb/>
gemeine, urſprüngliche Schönheit aber, die<lb/>
wir nur in Momenten der verklärten An¬<lb/>ſchauung <hirendition="#g">nennen</hi>, nicht in Worte auflöſen<lb/></p></div></body></text></TEI>
[107/0115]
dem Gipfel eines hohen Berges ſtehen, und
daß viele Länder und viele Zeiten unſern
Augen offenbar, um uns herum und zu un¬
ſern Füßen ausgebreitet liegen. So laſſet
uns denn dieſes Glück benutzen, und mit hei¬
tern Blicken über alle Zeiten und Völker
umherſchweifen, und uns beſtreben, an al¬
len ihren mannigfaltigen Empfindungen und
Werken der Empfindung immer das Menſch¬
liche herauszufühlen. — —
Jegliches Weſen ſtrebt nach dem Schön¬
ſten: aber es kann nicht aus ſich heraus¬
gehen, und ſieht das Schönſte nur in ſich.
So wie in jedes ſterbliche Auge ein anderes
Bild des Regenbogens kommt, ſo wirft ſich
jedem, aus der umgebenden Welt, ein an¬
deres Abbild der Schönheit zurück. Die all¬
gemeine, urſprüngliche Schönheit aber, die
wir nur in Momenten der verklärten An¬
ſchauung nennen, nicht in Worte auflöſen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/115>, abgerufen am 18.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.