Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

Bild:
<< vorherige Seite

schichte aller Völker, und wohl selbst die
geistlichen Historien unserer Religion in die
Tracht ihrer Zeiten kleiden. Allein ich denke
dabey, wie doch ein jeder Künstler, der die
Wesen vergangener Jahrhunderte durch seine
Brust gehen läßt, sie mit dem Geist und
Athem seines Alters beleben muß; und wie
es doch billig und natürlich ist, daß die
Schöpfungskraft des Menschen alles Fremde
und Entfernte, und also auch selbst die himm¬
lischen Wesen, sich liebend nahe bringt, und
in die wohlbekannten und geliebten Formen
seiner Welt und seines Gesichtskreises
hüllt.

Als Albrecht den Pinsel führte, da war
der Deutsche auf dem Völkerschauplatz un¬
sers Welttheils noch ein eigenthümlicher und
ausgezeichneter Charakter von festem Be¬
stand; und seinen Bildern ist nicht nur in
Gesichtsbildung und im ganzen Äußeren,

ſchichte aller Völker, und wohl ſelbſt die
geiſtlichen Hiſtorien unſerer Religion in die
Tracht ihrer Zeiten kleiden. Allein ich denke
dabey, wie doch ein jeder Künſtler, der die
Weſen vergangener Jahrhunderte durch ſeine
Bruſt gehen läßt, ſie mit dem Geiſt und
Athem ſeines Alters beleben muß; und wie
es doch billig und natürlich iſt, daß die
Schöpfungskraft des Menſchen alles Fremde
und Entfernte, und alſo auch ſelbſt die himm¬
liſchen Weſen, ſich liebend nahe bringt, und
in die wohlbekannten und geliebten Formen
ſeiner Welt und ſeines Geſichtskreiſes
hüllt.

Als Albrecht den Pinſel führte, da war
der Deutſche auf dem Völkerſchauplatz un¬
ſers Welttheils noch ein eigenthümlicher und
ausgezeichneter Charakter von feſtem Be¬
ſtand; und ſeinen Bildern iſt nicht nur in
Geſichtsbildung und im ganzen Äußeren,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0129" n="121"/>
&#x017F;chichte aller Völker, und wohl &#x017F;elb&#x017F;t die<lb/>
gei&#x017F;tlichen Hi&#x017F;torien un&#x017F;erer Religion in die<lb/>
Tracht ihrer Zeiten kleiden. Allein ich denke<lb/>
dabey, wie doch ein jeder Kün&#x017F;tler, der die<lb/>
We&#x017F;en vergangener Jahrhunderte durch &#x017F;eine<lb/>
Bru&#x017F;t gehen läßt, &#x017F;ie mit dem Gei&#x017F;t und<lb/>
Athem <hi rendition="#g">&#x017F;eines</hi> Alters beleben muß; und wie<lb/>
es doch billig und natürlich i&#x017F;t, daß die<lb/>
Schöpfungskraft des Men&#x017F;chen alles Fremde<lb/>
und Entfernte, und al&#x017F;o auch &#x017F;elb&#x017F;t die himm¬<lb/>
li&#x017F;chen We&#x017F;en, &#x017F;ich liebend nahe bringt, und<lb/>
in die wohlbekannten und geliebten Formen<lb/><hi rendition="#g">&#x017F;einer</hi> Welt und <hi rendition="#g">&#x017F;eines</hi> Ge&#x017F;ichtskrei&#x017F;es<lb/>
hüllt.</p><lb/>
        <p>Als Albrecht den Pin&#x017F;el führte, da war<lb/>
der Deut&#x017F;che auf dem Völker&#x017F;chauplatz un¬<lb/>
&#x017F;ers <choice><sic>Welrtheils</sic><corr>Welttheils</corr></choice> noch ein eigenthümlicher und<lb/>
ausgezeichneter Charakter von fe&#x017F;tem Be¬<lb/>
&#x017F;tand; und <hi rendition="#g">&#x017F;einen</hi> Bildern i&#x017F;t nicht nur in<lb/>
Ge&#x017F;ichtsbildung und im ganzen Äußeren,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[121/0129] ſchichte aller Völker, und wohl ſelbſt die geiſtlichen Hiſtorien unſerer Religion in die Tracht ihrer Zeiten kleiden. Allein ich denke dabey, wie doch ein jeder Künſtler, der die Weſen vergangener Jahrhunderte durch ſeine Bruſt gehen läßt, ſie mit dem Geiſt und Athem ſeines Alters beleben muß; und wie es doch billig und natürlich iſt, daß die Schöpfungskraft des Menſchen alles Fremde und Entfernte, und alſo auch ſelbſt die himm¬ liſchen Weſen, ſich liebend nahe bringt, und in die wohlbekannten und geliebten Formen ſeiner Welt und ſeines Geſichtskreiſes hüllt. Als Albrecht den Pinſel führte, da war der Deutſche auf dem Völkerſchauplatz un¬ ſers Welttheils noch ein eigenthümlicher und ausgezeichneter Charakter von feſtem Be¬ ſtand; und ſeinen Bildern iſt nicht nur in Geſichtsbildung und im ganzen Äußeren,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/129
Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/129>, abgerufen am 24.11.2024.