Pinsels noch sehr mangelhaft seyn; alle die Außenwerke der Kunst hingegen werden nach und nach, durch Erfindung, Übung und Nachdenken zur Vollkommenheit gebracht. Es ist aber eine schnöde und betrauernswer¬ the Eitelkeit, die das Verdienst der Zeiten ihrem eigenen schwachen Haupte zur Krone aufsetzt, und ihre Nichtigkeit unter erborg¬ tem Glanze verstecken will. Hinweg, ihr weisen Knaben, von dem alten Künstler von Nürnberg! -- und daß keiner verspottend ihn zu richten sich vermesse, der noch kin¬ disch darüber naserümpfen kann, daß er nicht Tizian und Correggio zu Lehrmeistern hatte, oder, daß man zu seiner Zeit so selt¬ sam altfränkische Kleidung trug!
Denn auch um deßwillen wollen die heu¬ tigen Lehrer ihn, so wie manchen andern guten Mahler seines Jahrhunderts, nicht schön und edel nennen, weil sie die Ge¬
Pinſels noch ſehr mangelhaft ſeyn; alle die Außenwerke der Kunſt hingegen werden nach und nach, durch Erfindung, Übung und Nachdenken zur Vollkommenheit gebracht. Es iſt aber eine ſchnöde und betrauernswer¬ the Eitelkeit, die das Verdienſt der Zeiten ihrem eigenen ſchwachen Haupte zur Krone aufſetzt, und ihre Nichtigkeit unter erborg¬ tem Glanze verſtecken will. Hinweg, ihr weiſen Knaben, von dem alten Künſtler von Nürnberg! — und daß keiner verſpottend ihn zu richten ſich vermeſſe, der noch kin¬ diſch darüber naſerümpfen kann, daß er nicht Tizian und Correggio zu Lehrmeiſtern hatte, oder, daß man zu ſeiner Zeit ſo ſelt¬ ſam altfränkiſche Kleidung trug!
Denn auch um deßwillen wollen die heu¬ tigen Lehrer ihn, ſo wie manchen andern guten Mahler ſeines Jahrhunderts, nicht ſchön und edel nennen, weil ſie die Ge¬
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Pinſels noch ſehr mangelhaft ſeyn; alle die
Außenwerke der Kunſt hingegen werden nach
und nach, durch Erfindung, Übung und
Nachdenken zur Vollkommenheit gebracht.
Es iſt aber eine ſchnöde und betrauernswer¬
the Eitelkeit, die das Verdienſt der Zeiten
ihrem eigenen ſchwachen Haupte zur Krone
aufſetzt, und ihre Nichtigkeit unter erborg¬
tem Glanze verſtecken will. Hinweg, ihr
weiſen Knaben, von dem alten Künſtler von
Nürnberg! — und daß keiner verſpottend
ihn zu richten ſich vermeſſe, der noch kin¬
diſch darüber naſerümpfen kann, daß er
nicht Tizian und Correggio zu Lehrmeiſtern
hatte, oder, daß man zu ſeiner Zeit ſo ſelt¬
ſam altfränkiſche Kleidung trug!
Denn auch um deßwillen wollen die heu¬
tigen Lehrer ihn, ſo wie manchen andern
guten Mahler ſeines Jahrhunderts, nicht
ſchön und edel nennen, weil ſie die Ge¬
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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 120. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/128>, abgerufen am 24.11.2024.
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