Jahrhunderte einige Seltenheiten hervor, welche sie zwischen Tausende gewöhnlicher Art versteckt. Aber diese seltsamen Geister vergehen gleich den allergemeinsten: die wißbegierige Nachwelt sammelt aus Schrif¬ ten die einzeln gestammelten Laute zusammen, die sie uns schildern sollen; allein wir gewin¬ nen kein faßliches Bild, und lernen sie nie¬ mals völlig verstehen. Konnten doch auch die, welche sie mit Augen sahen, sie nicht völlig begreifen, ja sie begriffen sich selber kaum. Wir können sie, wie im Grunde Al¬ les in der Welt, nur bloß mit leerer Ver¬ wunderung betrachten. --
Diese Gedanken sind bey mir rege ge¬ worden, indem ich in den Historien der al¬ ten Mahler auf den wunderbaren Piero di Cosimo gestoßen bin. Die Natur hatte sein Inneres mit einer immer gährenden Phantasie erfüllt, und seinen Geist mit schwe¬
Jahrhunderte einige Seltenheiten hervor, welche ſie zwiſchen Tauſende gewöhnlicher Art verſteckt. Aber dieſe ſeltſamen Geiſter vergehen gleich den allergemeinſten: die wißbegierige Nachwelt ſammelt aus Schrif¬ ten die einzeln geſtammelten Laute zuſammen, die ſie uns ſchildern ſollen; allein wir gewin¬ nen kein faßliches Bild, und lernen ſie nie¬ mals völlig verſtehen. Konnten doch auch die, welche ſie mit Augen ſahen, ſie nicht völlig begreifen, ja ſie begriffen ſich ſelber kaum. Wir können ſie, wie im Grunde Al¬ les in der Welt, nur bloß mit leerer Ver¬ wunderung betrachten. —
Dieſe Gedanken ſind bey mir rege ge¬ worden, indem ich in den Hiſtorien der al¬ ten Mahler auf den wunderbaren Piero di Coſimo geſtoßen bin. Die Natur hatte ſein Inneres mit einer immer gährenden Phantaſie erfüllt, und ſeinen Geiſt mit ſchwe¬
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Jahrhunderte einige Seltenheiten hervor,
welche ſie zwiſchen Tauſende gewöhnlicher
Art verſteckt. Aber dieſe ſeltſamen Geiſter
vergehen gleich den allergemeinſten: die
wißbegierige Nachwelt ſammelt aus Schrif¬
ten die einzeln geſtammelten Laute zuſammen,
die ſie uns ſchildern ſollen; allein wir gewin¬
nen kein faßliches Bild, und lernen ſie nie¬
mals völlig verſtehen. Konnten doch auch
die, welche ſie mit Augen ſahen, ſie nicht
völlig begreifen, ja ſie begriffen ſich ſelber
kaum. Wir können ſie, wie im Grunde Al¬
les in der Welt, nur bloß mit leerer Ver¬
wunderung betrachten. —
Dieſe Gedanken ſind bey mir rege ge¬
worden, indem ich in den Hiſtorien der al¬
ten Mahler auf den wunderbaren Piero di
Coſimo geſtoßen bin. Die Natur hatte
ſein Inneres mit einer immer gährenden
Phantaſie erfüllt, und ſeinen Geiſt mit ſchwe¬
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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/150>, abgerufen am 09.05.2024.
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