lich, daß ihn die Mutter mit eigener Milch groß säugte, damit er nicht unter die gemei¬ nen Leute käme; und da er heran wuchs, half er als ein zarter Knabe dem Vater bey der Arbeit, und der Vater war froh, daß er seine Sachen so gut machte; um ihn aber was rechtes lernen zu lassen, nahm er Ab¬ rede mit Meister Pietro von Perugia, daß er ihn in die Lehre nähme, und führte ihn selber mit großen Freuden nach Perugia hin, wo Pietro den Knaben gar freundlich auf¬ nahm; aber die Mutter hatte beym Abschied viel Thränen vergossen, und konnte sich kaum von dem Kinde losreißen, denn auch sie liebte es herzinniglich: -- -- sage mir, wie wird Dir zu Muth, wenn Du das an¬ hörst? Ist Dir nicht lieblich und wohl da¬ bey, diese Dinge zu vernehmen? -- -- Und dies war eben derselbe Mensch, der nach kurzen sieben und dreyßig Jahren, von aller
lich, daß ihn die Mutter mit eigener Milch groß ſäugte, damit er nicht unter die gemei¬ nen Leute käme; und da er heran wuchs, half er als ein zarter Knabe dem Vater bey der Arbeit, und der Vater war froh, daß er ſeine Sachen ſo gut machte; um ihn aber was rechtes lernen zu laſſen, nahm er Ab¬ rede mit Meiſter Pietro von Perugia, daß er ihn in die Lehre nähme, und führte ihn ſelber mit großen Freuden nach Perugia hin, wo Pietro den Knaben gar freundlich auf¬ nahm; aber die Mutter hatte beym Abſchied viel Thränen vergoſſen, und konnte ſich kaum von dem Kinde losreißen, denn auch ſie liebte es herzinniglich: — — ſage mir, wie wird Dir zu Muth, wenn Du das an¬ hörſt? Iſt Dir nicht lieblich und wohl da¬ bey, dieſe Dinge zu vernehmen? — — Und dies war eben derſelbe Menſch, der nach kurzen ſieben und dreyßig Jahren, von aller
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[204/0212]
lich, daß ihn die Mutter mit eigener Milch
groß ſäugte, damit er nicht unter die gemei¬
nen Leute käme; und da er heran wuchs,
half er als ein zarter Knabe dem Vater bey
der Arbeit, und der Vater war froh, daß er
ſeine Sachen ſo gut machte; um ihn aber
was rechtes lernen zu laſſen, nahm er Ab¬
rede mit Meiſter Pietro von Perugia, daß
er ihn in die Lehre nähme, und führte ihn
ſelber mit großen Freuden nach Perugia hin,
wo Pietro den Knaben gar freundlich auf¬
nahm; aber die Mutter hatte beym Abſchied
viel Thränen vergoſſen, und konnte ſich
kaum von dem Kinde losreißen, denn auch
ſie liebte es herzinniglich: — — ſage mir,
wie wird Dir zu Muth, wenn Du das an¬
hörſt? Iſt Dir nicht lieblich und wohl da¬
bey, dieſe Dinge zu vernehmen? — — Und
dies war eben derſelbe Menſch, der nach
kurzen ſieben und dreyßig Jahren, von aller
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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/212>, abgerufen am 21.11.2024.
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