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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

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Ich erinnere mich der Worte des lieben,
redseligen alten Mannes noch sehr genau,
und mit dem herzlichsten Vergnügen; drum
will ich noch mehr davon aufzuzeichnen
suchen.

Er fuhr, wie er sah, daß ich still und
begierig zuhörte, ungefähr also fort:

"Ich habe mit Freude bemerkt, mein
Sohn, daß Dein Gemüth sehr zu dem vor¬
trefflichen Raphael hinhängt. Wenn Du
nun vor einem recht herrlichen Bilde seiner
Hände da stehst, jeden seiner Pinselstriche
mit Ehrfurcht betrachtest, und denkst: Hätt'
ich den heiligen Mann doch im Leben ge¬
sehn! wie hätt' ich ihn anbeten wollen! --
und nun hörtest Du dabey die alten Lebens¬
beschreiber der Mahler folgendermaßen von
ihm erzählen: -- Dieser Raphael Sanzio
war das einzige Kind seiner Ältern; herzlich
liebte ihn der Vater, und wollte ausdrück¬

Ich erinnere mich der Worte des lieben,
redſeligen alten Mannes noch ſehr genau,
und mit dem herzlichſten Vergnügen; drum
will ich noch mehr davon aufzuzeichnen
ſuchen.

Er fuhr, wie er ſah, daß ich ſtill und
begierig zuhörte, ungefähr alſo fort:

»Ich habe mit Freude bemerkt, mein
Sohn, daß Dein Gemüth ſehr zu dem vor¬
trefflichen Raphael hinhängt. Wenn Du
nun vor einem recht herrlichen Bilde ſeiner
Hände da ſtehſt, jeden ſeiner Pinſelſtriche
mit Ehrfurcht betrachteſt, und denkſt: Hätt'
ich den heiligen Mann doch im Leben ge¬
ſehn! wie hätt' ich ihn anbeten wollen! —
und nun hörteſt Du dabey die alten Lebens¬
beſchreiber der Mahler folgendermaßen von
ihm erzählen: — Dieſer Raphael Sanzio
war das einzige Kind ſeiner Ältern; herzlich
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[203/0211] Ich erinnere mich der Worte des lieben, redſeligen alten Mannes noch ſehr genau, und mit dem herzlichſten Vergnügen; drum will ich noch mehr davon aufzuzeichnen ſuchen. Er fuhr, wie er ſah, daß ich ſtill und begierig zuhörte, ungefähr alſo fort: »Ich habe mit Freude bemerkt, mein Sohn, daß Dein Gemüth ſehr zu dem vor¬ trefflichen Raphael hinhängt. Wenn Du nun vor einem recht herrlichen Bilde ſeiner Hände da ſtehſt, jeden ſeiner Pinſelſtriche mit Ehrfurcht betrachteſt, und denkſt: Hätt' ich den heiligen Mann doch im Leben ge¬ ſehn! wie hätt' ich ihn anbeten wollen! — und nun hörteſt Du dabey die alten Lebens¬ beſchreiber der Mahler folgendermaßen von ihm erzählen: — Dieſer Raphael Sanzio war das einzige Kind ſeiner Ältern; herzlich liebte ihn der Vater, und wollte ausdrück¬

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Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 203. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/211>, abgerufen am 11.05.2024.