"Da kommen mir noch ein paar schöne Anekdoten ins Gedächtniß, die, auf zwie¬ fache verschiedene Weise, bezeugen, was für eine mächtige Gottheit die Kunst für den Künstler ist, und mit welcher Gewalt sie ihn beherrscht. -- Es war einmal ein alter Flo¬ rentinischer Mahler, mit Namen Mariotto Albertinelli, ein eifriger Künstler, aber ein gar unruhiger und sinnlicher Mensch. Er ward des unsichern und mühseligen Stu¬ diums an den mechanischen Theilen der Kunst, und der häßlichen Feindschaften und Verfol¬ gungen der Nebenkünstler endlich ganz über¬ drüßig, und weil er gern gut leben mochte, so entschloß er sich ein lustigeres Gewerbe zu ergreifen, und legte ein Gasthaus an. Herzlich vergnügt war er, wie die Sache im Gange war, und sagte öfters zu seinen Freunden: "Seht! das ist ein besser Hand¬ werk! Nun quäl' ich mich nicht mehr um
»Da kommen mir noch ein paar ſchöne Anekdoten ins Gedächtniß, die, auf zwie¬ fache verſchiedene Weiſe, bezeugen, was für eine mächtige Gottheit die Kunſt für den Künſtler iſt, und mit welcher Gewalt ſie ihn beherrſcht. — Es war einmal ein alter Flo¬ rentiniſcher Mahler, mit Namen Mariotto Albertinelli, ein eifriger Künſtler, aber ein gar unruhiger und ſinnlicher Menſch. Er ward des unſichern und mühſeligen Stu¬ diums an den mechaniſchen Theilen der Kunſt, und der häßlichen Feindſchaften und Verfol¬ gungen der Nebenkünſtler endlich ganz über¬ drüßig, und weil er gern gut leben mochte, ſo entſchloß er ſich ein luſtigeres Gewerbe zu ergreifen, und legte ein Gaſthaus an. Herzlich vergnügt war er, wie die Sache im Gange war, und ſagte öfters zu ſeinen Freunden: »Seht! das iſt ein beſſer Hand¬ werk! Nun quäl' ich mich nicht mehr um
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»Da kommen mir noch ein paar ſchöne
Anekdoten ins Gedächtniß, die, auf zwie¬
fache verſchiedene Weiſe, bezeugen, was für
eine mächtige Gottheit die Kunſt für den
Künſtler iſt, und mit welcher Gewalt ſie ihn
beherrſcht. — Es war einmal ein alter Flo¬
rentiniſcher Mahler, mit Namen Mariotto
Albertinelli, ein eifriger Künſtler, aber
ein gar unruhiger und ſinnlicher Menſch.
Er ward des unſichern und mühſeligen Stu¬
diums an den mechaniſchen Theilen der Kunſt,
und der häßlichen Feindſchaften und Verfol¬
gungen der Nebenkünſtler endlich ganz über¬
drüßig, und weil er gern gut leben mochte,
ſo entſchloß er ſich ein luſtigeres Gewerbe
zu ergreifen, und legte ein Gaſthaus an.
Herzlich vergnügt war er, wie die Sache im
Gange war, und ſagte öfters zu ſeinen
Freunden: »Seht! das iſt ein beſſer Hand¬
werk! Nun quäl' ich mich nicht mehr um
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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 220. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/228>, abgerufen am 16.02.2025.
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