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Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797.

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jammervollen menschlichen Gebrechen und
Krankheiten, seine Lust gehabt hatte. Die¬
ses eifrige Studium nun war ihm, wie es
öfters zu geschehen pflegt, ein heimliches,
nervenbetäubendes Gift geworden, das alle
seine Adern durchdrang, und viele klingende
Saiten des menschlichen Busens bey ihm
zernagte. Dazu kam der Mißmuth über das
Elend seiner Dürftigkeit, und endlich das
Alter. Alles dieses zehrte an der ursprüng¬
lichen Güte seines Gemüths; denn bey nicht
starken Seelen geht alles, womit der Mensch
zu schaffen hat, in sein Blut über, und ver¬
wandelt sein Inneres, ohne daß er es sel¬
ber weiß.

Die Kinder des alten Arztes wuchsen bey
ihm auf, wie Unkraut in einem verwilderten
Garten. Josephs Schwestern waren theils
kränklich, theils von schwachem Geiste, und
führten ein kläglich einsames Leben in ihrer
dunklen kleinen Stube.

jammervollen menſchlichen Gebrechen und
Krankheiten, ſeine Luſt gehabt hatte. Die¬
ſes eifrige Studium nun war ihm, wie es
öfters zu geſchehen pflegt, ein heimliches,
nervenbetäubendes Gift geworden, das alle
ſeine Adern durchdrang, und viele klingende
Saiten des menſchlichen Buſens bey ihm
zernagte. Dazu kam der Mißmuth über das
Elend ſeiner Dürftigkeit, und endlich das
Alter. Alles dieſes zehrte an der urſprüng¬
lichen Güte ſeines Gemüths; denn bey nicht
ſtarken Seelen geht alles, womit der Menſch
zu ſchaffen hat, in ſein Blut über, und ver¬
wandelt ſein Inneres, ohne daß er es ſel¬
ber weiß.

Die Kinder des alten Arztes wuchſen bey
ihm auf, wie Unkraut in einem verwilderten
Garten. Joſephs Schweſtern waren theils
kränklich, theils von ſchwachem Geiſte, und
führten ein kläglich einſames Leben in ihrer
dunklen kleinen Stube.

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[232/0240] jammervollen menſchlichen Gebrechen und Krankheiten, ſeine Luſt gehabt hatte. Die¬ ſes eifrige Studium nun war ihm, wie es öfters zu geſchehen pflegt, ein heimliches, nervenbetäubendes Gift geworden, das alle ſeine Adern durchdrang, und viele klingende Saiten des menſchlichen Buſens bey ihm zernagte. Dazu kam der Mißmuth über das Elend ſeiner Dürftigkeit, und endlich das Alter. Alles dieſes zehrte an der urſprüng¬ lichen Güte ſeines Gemüths; denn bey nicht ſtarken Seelen geht alles, womit der Menſch zu ſchaffen hat, in ſein Blut über, und ver¬ wandelt ſein Inneres, ohne daß er es ſel¬ ber weiß. Die Kinder des alten Arztes wuchſen bey ihm auf, wie Unkraut in einem verwilderten Garten. Joſephs Schweſtern waren theils kränklich, theils von ſchwachem Geiſte, und führten ein kläglich einſames Leben in ihrer dunklen kleinen Stube.

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Zitationshilfe: Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 232. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/240>, abgerufen am 24.11.2024.