ganzes Leben und Weben sich nur um die kümmerliche Befriedigung der nothwendig¬ sten physischen Bedürfnisse drehte, und bey einem Vater, der so wenig in seine Neigun¬ gen einstimmte! Dieser verachtete und ver¬ abscheute alle Künste als Dienerinnen ausge¬ lassener Begierden und Leidenschaften, und Schmeichlerinnen der vornehmen Welt. Schon von jeher hatte er es mit Mißvergnügen ge¬ sehen, daß sein Joseph sich so sehr an die Musik gehängt hatte; und nun, da diese Liebe in dem Knaben immer höher wuchs, machte er einen anhaltenden und ernstlichen Versuch, ihn von dem verderblichen Hange zu einer Kunst, deren Ausübung nicht viel besser als Müssiggang sey, und die bloß die Lüsternheit der Sinne befriedige, zur Medi¬ cin, als zu der wohlthätigsten, und für das Menschengeschlecht allgemein-nützlichsten Wis¬ senschaft zu bekehren. Er gab sich viele
ganzes Leben und Weben ſich nur um die kümmerliche Befriedigung der nothwendig¬ ſten phyſiſchen Bedürfniſſe drehte, und bey einem Vater, der ſo wenig in ſeine Neigun¬ gen einſtimmte! Dieſer verachtete und ver¬ abſcheute alle Künſte als Dienerinnen ausge¬ laſſener Begierden und Leidenſchaften, und Schmeichlerinnen der vornehmen Welt. Schon von jeher hatte er es mit Mißvergnügen ge¬ ſehen, daß ſein Joſeph ſich ſo ſehr an die Muſik gehängt hatte; und nun, da dieſe Liebe in dem Knaben immer höher wuchs, machte er einen anhaltenden und ernſtlichen Verſuch, ihn von dem verderblichen Hange zu einer Kunſt, deren Ausübung nicht viel beſſer als Müſſiggang ſey, und die bloß die Lüſternheit der Sinne befriedige, zur Medi¬ cin, als zu der wohlthätigſten, und für das Menſchengeſchlecht allgemein-nützlichſten Wiſ¬ ſenſchaft zu bekehren. Er gab ſich viele
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0250"n="242"/>
ganzes Leben und Weben ſich nur um die<lb/>
kümmerliche Befriedigung der nothwendig¬<lb/>ſten phyſiſchen Bedürfniſſe drehte, und bey<lb/>
einem Vater, der ſo wenig in ſeine Neigun¬<lb/>
gen einſtimmte! Dieſer verachtete und ver¬<lb/>
abſcheute alle Künſte als Dienerinnen ausge¬<lb/>
laſſener Begierden und Leidenſchaften, und<lb/>
Schmeichlerinnen der vornehmen Welt. Schon<lb/>
von jeher hatte er es mit Mißvergnügen ge¬<lb/>ſehen, daß ſein Joſeph ſich ſo ſehr an die<lb/>
Muſik gehängt hatte; und nun, da dieſe<lb/>
Liebe in dem Knaben immer höher wuchs,<lb/>
machte er einen anhaltenden und ernſtlichen<lb/>
Verſuch, ihn von dem verderblichen Hange<lb/>
zu einer Kunſt, deren Ausübung nicht viel<lb/>
beſſer als Müſſiggang ſey, und die bloß die<lb/>
Lüſternheit der Sinne befriedige, zur Medi¬<lb/>
cin, als zu der wohlthätigſten, und für das<lb/>
Menſchengeſchlecht allgemein-nützlichſten Wiſ¬<lb/>ſenſchaft zu bekehren. Er gab ſich viele<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[242/0250]
ganzes Leben und Weben ſich nur um die
kümmerliche Befriedigung der nothwendig¬
ſten phyſiſchen Bedürfniſſe drehte, und bey
einem Vater, der ſo wenig in ſeine Neigun¬
gen einſtimmte! Dieſer verachtete und ver¬
abſcheute alle Künſte als Dienerinnen ausge¬
laſſener Begierden und Leidenſchaften, und
Schmeichlerinnen der vornehmen Welt. Schon
von jeher hatte er es mit Mißvergnügen ge¬
ſehen, daß ſein Joſeph ſich ſo ſehr an die
Muſik gehängt hatte; und nun, da dieſe
Liebe in dem Knaben immer höher wuchs,
machte er einen anhaltenden und ernſtlichen
Verſuch, ihn von dem verderblichen Hange
zu einer Kunſt, deren Ausübung nicht viel
beſſer als Müſſiggang ſey, und die bloß die
Lüſternheit der Sinne befriedige, zur Medi¬
cin, als zu der wohlthätigſten, und für das
Menſchengeſchlecht allgemein-nützlichſten Wiſ¬
ſenſchaft zu bekehren. Er gab ſich viele
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Wackenroder, Wilhelm Heinrich; Tieck, Ludwig: Herzensergießungen eines kunstliebenden Klosterbruders. Berlin, 1797, S. 242. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackenroder_herzensergiessungen_1797/250>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.