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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

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In unsrer vorher aufgestellten Definition, die ihre Bewährung am pwa_314.002
besten im weiteren Verlaufe unsrer Betrachtung finden wird, ist gesagt pwa_314.003
worden, die Art und Weise der Darstellung sei theils bedingt durch pwa_314.004
die geistige Eigenthümlichkeit des Darstellenden, theils durch Inhalt und pwa_314.005
Zweck des Dargestellten, d. h. um es mit andern Worten und kürzer pwa_314.006
auszudrücken, der Stil hat eine subjective, er hat eine objective Seite. pwa_314.007
Nehmen wir also z. B. die schon früher (S. 276) erwähnte Schulrede von pwa_314.008
Herder über die Geographie, so ist der Stil, die Art und Weise der sprachlichen pwa_314.009
Darstellung, einmal objectiv bedingt durch Inhalt und Zweck; pwa_314.010
durch den Inhalt, d. h. erstlich durch die thematische Idee, die Nützlichkeit pwa_314.011
und Annehmlichkeit der geographischen Studien, und zweitens pwa_314.012
durch den Stoff, durch das ganze Gedankenmaterial, das jene Eine pwa_314.013
Idee um sich versammelt; durch den Zweck, insofern darauf ausgegangen pwa_314.014
wird, die Zuhörer, und grade diese, nämlich Schüler und pwa_314.015
Lehrer und Schulfreunde, von Seiten des Gemüthes für die Anerkennung pwa_314.016
und Bethätigung jener Idee zu gewinnen, und insofern um dieses pwa_314.017
Zweckes willen jene Gedanken sich zu einer Rede und namentlich pwa_314.018
zu einer Schulrede gestaltet haben. Objectiv betrachtet hat also das pwa_314.019
Ganze den Stil einer Schulrede über die Geographie. Indessen das pwa_314.020
theilt diese Rede mit jeder andern, die über das gleiche Thema vor pwa_314.021
eben einer solchen Zuhörerschaft etwa ist gehalten worden oder gehalten pwa_314.022
werden kann. Was sie von diesen unterscheidet, was sie zu einer pwa_314.023
Rede Herders macht, das ist nun die subjective Seite des Stils, das pwa_314.024
ist die Art und Weise, in der nur Herder, weil er grade diesen Geist pwa_314.025
und diese Bildung besass und in dieser Zeit lebte, seinen Gedanken pwa_314.026
Worte gab, seine Art und Weise, die Gedanken einzukleiden und zu pwa_314.027
schmücken, die Worte zu ordnen, zu trennen, zu verbinden.

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Natürlich gehören beide Seiten immer und nothwendig zusammen, pwa_314.029
sie fallen nicht getrennt und trennbar aus einander, denn es ist ja pwa_314.030
damit Eines und dasselbe, die äussere sprachliche Form nur von verschiedenen pwa_314.031
Standpuncten her betrachtet; es kann auch in einer gut pwa_314.032
und gesund abgefassten Schrift nicht bloss das Eine oder bloss das pwa_314.033
Andre vorhanden sein: eine Schrift, die nur objectiven Stil hat (leider pwa_314.034
giebt es solcher nur zu viel) macht, wenn man sie überhaupt lesen pwa_314.035
mag, zum mindesten denselben unangenehmen Eindruck, den überall pwa_314.036
die Characterlosigkeit macht. Es muss Beides da sein, Beides in der pwa_314.037
rechten organischen Vereinigung, und bald mehr von dem Einen, bald pwa_314.038
mehr von dem Andern. Diess Mehr oder Minder ist jedesmal bedingt durch pwa_314.039
den Inhalt, dadurch, ob auch dieser von subjectiver oder von objectiver pwa_314.040
Natur ist: lediglich davon hängt die grössere oder geringere Subjectivität pwa_314.041
oder Objectivität der äusseren Darstellung, des Stiles ab.

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In unsrer vorher aufgestellten Definition, die ihre Bewährung am pwa_314.002
besten im weiteren Verlaufe unsrer Betrachtung finden wird, ist gesagt pwa_314.003
worden, die Art und Weise der Darstellung sei theils bedingt durch pwa_314.004
die geistige Eigenthümlichkeit des Darstellenden, theils durch Inhalt und pwa_314.005
Zweck des Dargestellten, d. h. um es mit andern Worten und kürzer pwa_314.006
auszudrücken, der Stil hat eine subjective, er hat eine objective Seite. pwa_314.007
Nehmen wir also z. B. die schon früher (S. 276) erwähnte Schulrede von pwa_314.008
Herder über die Geographie, so ist der Stil, die Art und Weise der sprachlichen pwa_314.009
Darstellung, einmal objectiv bedingt durch Inhalt und Zweck; pwa_314.010
durch den Inhalt, d. h. erstlich durch die thematische Idee, die Nützlichkeit pwa_314.011
und Annehmlichkeit der geographischen Studien, und zweitens pwa_314.012
durch den Stoff, durch das ganze Gedankenmaterial, das jene Eine pwa_314.013
Idee um sich versammelt; durch den Zweck, insofern darauf ausgegangen pwa_314.014
wird, die Zuhörer, und grade diese, nämlich Schüler und pwa_314.015
Lehrer und Schulfreunde, von Seiten des Gemüthes für die Anerkennung pwa_314.016
und Bethätigung jener Idee zu gewinnen, und insofern um dieses pwa_314.017
Zweckes willen jene Gedanken sich zu einer Rede und namentlich pwa_314.018
zu einer Schulrede gestaltet haben. Objectiv betrachtet hat also das pwa_314.019
Ganze den Stil einer Schulrede über die Geographie. Indessen das pwa_314.020
theilt diese Rede mit jeder andern, die über das gleiche Thema vor pwa_314.021
eben einer solchen Zuhörerschaft etwa ist gehalten worden oder gehalten pwa_314.022
werden kann. Was sie von diesen unterscheidet, was sie zu einer pwa_314.023
Rede Herders macht, das ist nun die subjective Seite des Stils, das pwa_314.024
ist die Art und Weise, in der nur Herder, weil er grade diesen Geist pwa_314.025
und diese Bildung besass und in dieser Zeit lebte, seinen Gedanken pwa_314.026
Worte gab, seine Art und Weise, die Gedanken einzukleiden und zu pwa_314.027
schmücken, die Worte zu ordnen, zu trennen, zu verbinden.

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Natürlich gehören beide Seiten immer und nothwendig zusammen, pwa_314.029
sie fallen nicht getrennt und trennbar aus einander, denn es ist ja pwa_314.030
damit Eines und dasselbe, die äussere sprachliche Form nur von verschiedenen pwa_314.031
Standpuncten her betrachtet; es kann auch in einer gut pwa_314.032
und gesund abgefassten Schrift nicht bloss das Eine oder bloss das pwa_314.033
Andre vorhanden sein: eine Schrift, die nur objectiven Stil hat (leider pwa_314.034
giebt es solcher nur zu viel) macht, wenn man sie überhaupt lesen pwa_314.035
mag, zum mindesten denselben unangenehmen Eindruck, den überall pwa_314.036
die Characterlosigkeit macht. Es muss Beides da sein, Beides in der pwa_314.037
rechten organischen Vereinigung, und bald mehr von dem Einen, bald pwa_314.038
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Natur ist: lediglich davon hängt die grössere oder geringere Subjectivität pwa_314.041
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Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/332>, abgerufen am 24.11.2024.