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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

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der Frage oder des Befehles giebt und den causalen Satz mit denn pwa_347.002
beginnt. In allen dergleichen Fällen findet also eine formelle Erhebung pwa_347.003
von Nebengedanken zu Hauptgedanken, von untergeordneten Nebensätzen pwa_347.004
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Nun können aber auch Gedanken und Sätze, die schon für sich pwa_347.006
selbständig und Hauptsätze sind, durch die Form, die man ihnen giebt, pwa_347.007
noch mehr und zu noch höherer Würde und Bedeutung hervorgehoben pwa_347.008
werden. Indessen die verschiedenen Mittel, welche diesem Zwecke dienen, pwa_347.009
gehören fast ausschliesslich den beiden höheren Stilarten an, dem pwa_347.010
poetischen und namentlich dem lyrisch-rhetorischen Stil; diese noch pwa_347.011
höhere Hervorhebung tritt gewöhnlich erst da ein, wo es Anschaulichkeit, pwa_347.012
und noch mehr, wo es Leidenschaftlichkeit gilt: die Prosa, pwa_347.013
deren alleinige Aufgabe es ist, die Gedanken in verständiger Deutlichkeit pwa_347.014
zu entfalten, enthält sich sowohl der Sache als der dazu dienenden pwa_347.015
Mittel. Nur ein einziges derselben erscheint hier schon zulässig. pwa_347.016
Es ist diess der Gebrauch, eine Behauptung in Form einer Frage pwa_347.017
auszudrücken: dadurch wird der Hörer oder Leser angeredet und so pwa_347.018
mit in die Autorschaft hereingezogen, er soll auch Ja oder Nein sagen, pwa_347.019
und der Gedanke erhält auf diese Weise zwei Autoren. Und zwar pwa_347.020
giebt man einer positiven Behauptung die Form einer negativen Frage, pwa_347.021
einer Frage, die also zu gleicher Zeit einen Zweifel ausspricht und pwa_347.022
diesen Zweifel selbst schon durch die Verneinung wieder aufhebt: pwa_347.023
z. B. "Ist es nicht eben die Gleichheit der Menschen, worauf das pwa_347.024
Wesen des christlichen Glaubens beruht?" (Jacobi.) Dem entsprechend pwa_347.025
werden negative Behauptungen verstärkt, wenn man ihnen die Form pwa_347.026
einer positiven, keine Verneinung enthaltenden Frage giebt, und in pwa_347.027
dieser Weise den Gedanken als zweifelhaft oder ungewiss hinstellt: pwa_347.028
z. B. "Wer kann die Sonnen des Himmels zählen?" In beiden Beispielen pwa_347.029
wird der Gedanke viel mehr hervorgehoben, als wenn man ohne pwa_347.030
fragende Form einfach sagte: Es ist die Gleichheit der Menschen, pwa_347.031
worauf das Wesen des christlichen Glaubens beruht, oder: Niemand pwa_347.032
kann die Sonnen des Himmels zählen. Wie gesagt, ausser diesem pwa_347.033
Mittel der weiteren Hervorhebung selbständiger Gedanken kommt pwa_347.034
kaum noch ein derartiges in der Prosa vor; von den übrigen werden pwa_347.035
wir also erst späterhin zu handeln haben.

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b) Nun die Hervorhebung durch die Stellung. Hier können pwa_347.037
wir die Hervorhebung einzelner Begriffe und Worte und die Hervorhebung pwa_347.038
ganzer Gedanken und Periodentheile parallel neben einander pwa_347.039
stellen. Was die Hervorhebung einzelner Begriffe und Worte durch pwa_347.040
die Stellung betrifft, so führt eigentlich schon jede, auch die leichteste pwa_347.041
Veränderung des gewöhnlichen Satzbaues eine solche Hervorhebung

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der Frage oder des Befehles giebt und den causalen Satz mit denn pwa_347.002
beginnt. In allen dergleichen Fällen findet also eine formelle Erhebung pwa_347.003
von Nebengedanken zu Hauptgedanken, von untergeordneten Nebensätzen pwa_347.004
zu selbständigen Hauptsätzen statt.

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Nun können aber auch Gedanken und Sätze, die schon für sich pwa_347.006
selbständig und Hauptsätze sind, durch die Form, die man ihnen giebt, pwa_347.007
noch mehr und zu noch höherer Würde und Bedeutung hervorgehoben pwa_347.008
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gehören fast ausschliesslich den beiden höheren Stilarten an, dem pwa_347.010
poetischen und namentlich dem lyrisch-rhetorischen Stil; diese noch pwa_347.011
höhere Hervorhebung tritt gewöhnlich erst da ein, wo es Anschaulichkeit, pwa_347.012
und noch mehr, wo es Leidenschaftlichkeit gilt: die Prosa, pwa_347.013
deren alleinige Aufgabe es ist, die Gedanken in verständiger Deutlichkeit pwa_347.014
zu entfalten, enthält sich sowohl der Sache als der dazu dienenden pwa_347.015
Mittel. Nur ein einziges derselben erscheint hier schon zulässig. pwa_347.016
Es ist diess der Gebrauch, eine Behauptung in Form einer Frage pwa_347.017
auszudrücken: dadurch wird der Hörer oder Leser angeredet und so pwa_347.018
mit in die Autorschaft hereingezogen, er soll auch Ja oder Nein sagen, pwa_347.019
und der Gedanke erhält auf diese Weise zwei Autoren. Und zwar pwa_347.020
giebt man einer positiven Behauptung die Form einer negativen Frage, pwa_347.021
einer Frage, die also zu gleicher Zeit einen Zweifel ausspricht und pwa_347.022
diesen Zweifel selbst schon durch die Verneinung wieder aufhebt: pwa_347.023
z. B. „Ist es nicht eben die Gleichheit der Menschen, worauf das pwa_347.024
Wesen des christlichen Glaubens beruht?“ (Jacobi.) Dem entsprechend pwa_347.025
werden negative Behauptungen verstärkt, wenn man ihnen die Form pwa_347.026
einer positiven, keine Verneinung enthaltenden Frage giebt, und in pwa_347.027
dieser Weise den Gedanken als zweifelhaft oder ungewiss hinstellt: pwa_347.028
z. B. „Wer kann die Sonnen des Himmels zählen?“ In beiden Beispielen pwa_347.029
wird der Gedanke viel mehr hervorgehoben, als wenn man ohne pwa_347.030
fragende Form einfach sagte: Es ist die Gleichheit der Menschen, pwa_347.031
worauf das Wesen des christlichen Glaubens beruht, oder: Niemand pwa_347.032
kann die Sonnen des Himmels zählen. Wie gesagt, ausser diesem pwa_347.033
Mittel der weiteren Hervorhebung selbständiger Gedanken kommt pwa_347.034
kaum noch ein derartiges in der Prosa vor; von den übrigen werden pwa_347.035
wir also erst späterhin zu handeln haben.

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b) Nun die Hervorhebung durch die Stellung. Hier können pwa_347.037
wir die Hervorhebung einzelner Begriffe und Worte und die Hervorhebung pwa_347.038
ganzer Gedanken und Periodentheile parallel neben einander pwa_347.039
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Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/365>, abgerufen am 25.11.2024.