Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873pwa_348.001 pwa_348.014 pwa_348.028 pwa_348.039 pwa_348.001 pwa_348.014 pwa_348.028 pwa_348.039 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0366" n="348"/><lb n="pwa_348.001"/> und Auszeichnung mit sich. Denn unsere Wortstellung steht so fest <lb n="pwa_348.002"/> und beruht auf so guten logischen Principien, dass jede Abweichung <lb n="pwa_348.003"/> von ihr auffallen muss, und man bei jeder Abweichung triftige Gründe <lb n="pwa_348.004"/> voraussetzt. Das hauptsächlichste Mittel aber zur Hervorhebung einzelner <lb n="pwa_348.005"/> Begriffe und die gebräuchlichste Art der Umstellung einzelner <lb n="pwa_348.006"/> Worte ist bekanntlich die sogenannte <hi rendition="#i">Hauptinversion,</hi> bei welcher dem <lb n="pwa_348.007"/> ausgezeichneten Worte die erste Stelle im Satze gegeben wird, und <lb n="pwa_348.008"/> dann das Verbum und dann erst das Subject folgt, während sonst <lb n="pwa_348.009"/> das Subject den Satz beginnt. Von der Hauptinversion, welche den <lb n="pwa_348.010"/> ganzen Satz in sich selbst umstellt und umwendet, ist die Nebeninversion <lb n="pwa_348.011"/> zu unterscheiden, wo bloss zwei einzelne Worte ihre Stellung <lb n="pwa_348.012"/> vertauschen. Ein Beispiel der Hauptinversion: „Gottes sollst du niemals <lb n="pwa_348.013"/> vergessen.“</p> <p><lb n="pwa_348.014"/> Ganz das gleiche Verfahren zeigt sich nun auch, wo nicht ein <lb n="pwa_348.015"/> einzelner Begriff, sondern ein ganzes Periodenglied, wo ein Nebensatz <lb n="pwa_348.016"/> hervorzuheben ist. Auch hier bedient man sich zu diesem Zwecke <lb n="pwa_348.017"/> einer Hauptinversion, d. h. man macht den Nebensatz, der eigentlich <lb n="pwa_348.018"/> als Zwischensatz sollte eingeschaltet werden oder folgen sollte, zum <lb n="pwa_348.019"/> Vordersatz, stellt ihn vor den Hauptsatz, dem er doch untergeordnet <lb n="pwa_348.020"/> ist. Adverbialsätze, z. B. causale, bedingende und dergleichen, sollten <lb n="pwa_348.021"/> eigentlich hinter dem Verbum des Hauptsatzes stehn: aber gewöhnlich <lb n="pwa_348.022"/> stehn sie nicht da, sondern man bringt sie durch eine Hauptinversion <lb n="pwa_348.023"/> vor den ganzen Hauptsatz, beginnt die Periode mit dem <hi rendition="#i">da</hi> oder <hi rendition="#i">weil</hi> <lb n="pwa_348.024"/> oder <hi rendition="#i">wenn</hi> und verleiht so dem Grunde oder der Bedingung mehr <lb n="pwa_348.025"/> Nachdruck. Und so beruht überall der Gebrauch von Vordersatz und <lb n="pwa_348.026"/> Nachsatz lediglich auf dem Streben, dem Nebensatze mehr Bedeutung <lb n="pwa_348.027"/> zu gewähren und ihn durch die Stellung mehr hervorzuheben.</p> <p><lb n="pwa_348.028"/> Noch eine eigenthümliche Art, durch die Stellung das Gewicht <lb n="pwa_348.029"/> des Satzes zu verstärken, ist die <hi rendition="#i">Parenthese.</hi> Sie besteht in der Einschaltung <lb n="pwa_348.030"/> eines selbständigen Satzes, ja einer Periode in einen anderen <lb n="pwa_348.031"/> Satz und ist somit von dem Zwischensatz wohl zu unterscheiden. <lb n="pwa_348.032"/> Ein Gedanke, der in solcher Weise einen andern unterbricht, der den <lb n="pwa_348.033"/> Gang eines andern für einige Zeit still stellt, um dafür sich geltend <lb n="pwa_348.034"/> zu machen, kündigt sich natürlich als gewichtig und bedeutsam an: <lb n="pwa_348.035"/> daraus erhellt, dass man die Paranthese nur selten anwenden dürfe: <lb n="pwa_348.036"/> in den meisten Fällen wird sie freilich nur angewendet aus Ungeschick, <lb n="pwa_348.037"/> sich anders auszudrücken. Beispiel: „Auf das Unendliche (das fühlt <lb n="pwa_348.038"/> jeder, der sich selbst versteht) ist bei uns Alles gerichtet.“</p> <p><lb n="pwa_348.039"/> Endlich kann noch die Stellung einzelner Worte und ganzer <lb n="pwa_348.040"/> Periodenglieder in der Weise zur Hervorhebung dienen, dass coordinierte <lb n="pwa_348.041"/> Begriffe in der Klimax, in der Steigerung aufgeführt werden, </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [348/0366]
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und Auszeichnung mit sich. Denn unsere Wortstellung steht so fest pwa_348.002
und beruht auf so guten logischen Principien, dass jede Abweichung pwa_348.003
von ihr auffallen muss, und man bei jeder Abweichung triftige Gründe pwa_348.004
voraussetzt. Das hauptsächlichste Mittel aber zur Hervorhebung einzelner pwa_348.005
Begriffe und die gebräuchlichste Art der Umstellung einzelner pwa_348.006
Worte ist bekanntlich die sogenannte Hauptinversion, bei welcher dem pwa_348.007
ausgezeichneten Worte die erste Stelle im Satze gegeben wird, und pwa_348.008
dann das Verbum und dann erst das Subject folgt, während sonst pwa_348.009
das Subject den Satz beginnt. Von der Hauptinversion, welche den pwa_348.010
ganzen Satz in sich selbst umstellt und umwendet, ist die Nebeninversion pwa_348.011
zu unterscheiden, wo bloss zwei einzelne Worte ihre Stellung pwa_348.012
vertauschen. Ein Beispiel der Hauptinversion: „Gottes sollst du niemals pwa_348.013
vergessen.“
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Ganz das gleiche Verfahren zeigt sich nun auch, wo nicht ein pwa_348.015
einzelner Begriff, sondern ein ganzes Periodenglied, wo ein Nebensatz pwa_348.016
hervorzuheben ist. Auch hier bedient man sich zu diesem Zwecke pwa_348.017
einer Hauptinversion, d. h. man macht den Nebensatz, der eigentlich pwa_348.018
als Zwischensatz sollte eingeschaltet werden oder folgen sollte, zum pwa_348.019
Vordersatz, stellt ihn vor den Hauptsatz, dem er doch untergeordnet pwa_348.020
ist. Adverbialsätze, z. B. causale, bedingende und dergleichen, sollten pwa_348.021
eigentlich hinter dem Verbum des Hauptsatzes stehn: aber gewöhnlich pwa_348.022
stehn sie nicht da, sondern man bringt sie durch eine Hauptinversion pwa_348.023
vor den ganzen Hauptsatz, beginnt die Periode mit dem da oder weil pwa_348.024
oder wenn und verleiht so dem Grunde oder der Bedingung mehr pwa_348.025
Nachdruck. Und so beruht überall der Gebrauch von Vordersatz und pwa_348.026
Nachsatz lediglich auf dem Streben, dem Nebensatze mehr Bedeutung pwa_348.027
zu gewähren und ihn durch die Stellung mehr hervorzuheben.
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Noch eine eigenthümliche Art, durch die Stellung das Gewicht pwa_348.029
des Satzes zu verstärken, ist die Parenthese. Sie besteht in der Einschaltung pwa_348.030
eines selbständigen Satzes, ja einer Periode in einen anderen pwa_348.031
Satz und ist somit von dem Zwischensatz wohl zu unterscheiden. pwa_348.032
Ein Gedanke, der in solcher Weise einen andern unterbricht, der den pwa_348.033
Gang eines andern für einige Zeit still stellt, um dafür sich geltend pwa_348.034
zu machen, kündigt sich natürlich als gewichtig und bedeutsam an: pwa_348.035
daraus erhellt, dass man die Paranthese nur selten anwenden dürfe: pwa_348.036
in den meisten Fällen wird sie freilich nur angewendet aus Ungeschick, pwa_348.037
sich anders auszudrücken. Beispiel: „Auf das Unendliche (das fühlt pwa_348.038
jeder, der sich selbst versteht) ist bei uns Alles gerichtet.“
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Endlich kann noch die Stellung einzelner Worte und ganzer pwa_348.040
Periodenglieder in der Weise zur Hervorhebung dienen, dass coordinierte pwa_348.041
Begriffe in der Klimax, in der Steigerung aufgeführt werden,
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