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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

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alle andern Rechte verletzt und verdunkelt werden, ist sicherlich pwa_356.002
falsch" (Joh. v. Müller). Doch trennt man wohl auch dergleichen pwa_356.003
Erweiterungen von dem Worte, auf das sie sich beziehen, und lässt pwa_356.004
den Nebensatz erst hinter dem Hauptsatze folgen: z. B. "Wo ist die pwa_356.005
Kraft, die mit dem Geiste verglichen werden könnte, der diesen pwa_356.006
Körper beseelt?" (Schiller). Diese Stellung erhält der Nebensatz pwa_356.007
besonders dann, wenn nach ihm nur ein kleiner Theil des Hauptsatzes, pwa_356.008
vielleicht nur ein einsilbiges Wort übrig bliebe. Hier lässt pwa_356.009
man des Ebenmasses und auch des Wohlklanges wegen lieber den pwa_356.010
ganzen Hauptsatz beisammen. Es ist mithin nicht gut, wenn Wieland pwa_356.011
sagt: "Die Christen standen allen Verführern, welche den Geist ihres pwa_356.012
Meisters zu heucheln und die Stimme des guten Hirten nachzuäffen pwa_356.013
wussten, bloss."

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Zu weit aber darf der Nebensatz auch nicht von dem bezüglichen pwa_356.015
Worte des Hauptsatzes abliegen; besonders wenn andere Worte dazwischen pwa_356.016
treten, auf die man ihn nun fälschlicher Weise beziehen könnte, pwa_356.017
wie das in den folgenden Beispielen der Fall ist: "Nau nam der zwelver pwa_356.018
iegeslich zwelf tausent ritter zuo sich, die ich da vor han genant", pwa_356.019
Strickers Karl 51b. "Der Maler N. malt Bildnisse zu den billigsten pwa_356.020
Preisen, die in jeder Beziehung als gelungen dürfen bezeichnet werden." pwa_356.021
Namentlich dürfen zu Appositionen verkürzte Adjectiv- und Adverbialsätze pwa_356.022
nicht zu weit von ihrem Substantiv abliegen, und an die pwa_356.023
Spitze des Hauptsatzes dürfen sie nur dann gestellt werden, wenn sie pwa_356.024
das Subject mit demselben gemein haben. Mithin ist es nicht richtig pwa_356.025
zu sagen: "Tiefgebeugt von dem unerbittlichen Schicksal, entriss mir pwa_356.026
der Tod meinen geliebten Mann" (statt: verlor ich durch den Tod u. s. w.). pwa_356.027
Oder: "Noch betrübt über das Hinscheiden unserer Schwester, raubte pwa_356.028
uns der Tod abermals unsern Bruder" (statt: Während wir noch betrübt pwa_356.029
waren u. s. w.).

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Noch zweierlei ist über die Zwischensätze zu bemerken: sie dürfen pwa_356.031
nicht zu lang sein, und es dürfen ihrer nicht zu viele in einander pwa_356.032
geschoben werden. Lange Zwischensätze sind überall ein Uebel: je pwa_356.033
länger ein Zwischensatz sich ausdehnt, desto ferner tritt der Inhalt pwa_356.034
und Zusammenhang des übergeordneten Satzes, und zuletzt verliert pwa_356.035
man ganz den leitenden Faden. Wo aber dieser Uebelstand nicht zu pwa_356.036
vermeiden ist, und dergleichen kommt oft genug vor, da kann man pwa_356.037
die Deutlichkeit am besten dadurch retten, dass man, sobald der pwa_356.038
Zwischensatz abgethan ist, den übergeordneten Satz entweder wirklich pwa_356.039
von Neuem beginnt, oder doch mit einer kurzen Rückdeutung auf das pwa_356.040
bereits Dagewesene fortsetzt. Ein althochdeutsches Beispiel und pwa_356.041
zugleich einen Beleg für den Barbarismus des elften Jahrhunderts bietet

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alle andern Rechte verletzt und verdunkelt werden, ist sicherlich pwa_356.002
falsch“ (Joh. v. Müller). Doch trennt man wohl auch dergleichen pwa_356.003
Erweiterungen von dem Worte, auf das sie sich beziehen, und lässt pwa_356.004
den Nebensatz erst hinter dem Hauptsatze folgen: z. B. „Wo ist die pwa_356.005
Kraft, die mit dem Geiste verglichen werden könnte, der diesen pwa_356.006
Körper beseelt?“ (Schiller). Diese Stellung erhält der Nebensatz pwa_356.007
besonders dann, wenn nach ihm nur ein kleiner Theil des Hauptsatzes, pwa_356.008
vielleicht nur ein einsilbiges Wort übrig bliebe. Hier lässt pwa_356.009
man des Ebenmasses und auch des Wohlklanges wegen lieber den pwa_356.010
ganzen Hauptsatz beisammen. Es ist mithin nicht gut, wenn Wieland pwa_356.011
sagt: „Die Christen standen allen Verführern, welche den Geist ihres pwa_356.012
Meisters zu heucheln und die Stimme des guten Hirten nachzuäffen pwa_356.013
wussten, bloss.“

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Zu weit aber darf der Nebensatz auch nicht von dem bezüglichen pwa_356.015
Worte des Hauptsatzes abliegen; besonders wenn andere Worte dazwischen pwa_356.016
treten, auf die man ihn nun fälschlicher Weise beziehen könnte, pwa_356.017
wie das in den folgenden Beispielen der Fall ist: „Nû nam der zwelver pwa_356.018
iegeslich zwelf tûsent ritter zuo sich, die ich dâ vor hân genant“, pwa_356.019
Strickers Karl 51b. „Der Maler N. malt Bildnisse zu den billigsten pwa_356.020
Preisen, die in jeder Beziehung als gelungen dürfen bezeichnet werden.“ pwa_356.021
Namentlich dürfen zu Appositionen verkürzte Adjectiv- und Adverbialsätze pwa_356.022
nicht zu weit von ihrem Substantiv abliegen, und an die pwa_356.023
Spitze des Hauptsatzes dürfen sie nur dann gestellt werden, wenn sie pwa_356.024
das Subject mit demselben gemein haben. Mithin ist es nicht richtig pwa_356.025
zu sagen: „Tiefgebeugt von dem unerbittlichen Schicksal, entriss mir pwa_356.026
der Tod meinen geliebten Mann“ (statt: verlor ich durch den Tod u. s. w.). pwa_356.027
Oder: „Noch betrübt über das Hinscheiden unserer Schwester, raubte pwa_356.028
uns der Tod abermals unsern Bruder“ (statt: Während wir noch betrübt pwa_356.029
waren u. s. w.).

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Noch zweierlei ist über die Zwischensätze zu bemerken: sie dürfen pwa_356.031
nicht zu lang sein, und es dürfen ihrer nicht zu viele in einander pwa_356.032
geschoben werden. Lange Zwischensätze sind überall ein Uebel: je pwa_356.033
länger ein Zwischensatz sich ausdehnt, desto ferner tritt der Inhalt pwa_356.034
und Zusammenhang des übergeordneten Satzes, und zuletzt verliert pwa_356.035
man ganz den leitenden Faden. Wo aber dieser Uebelstand nicht zu pwa_356.036
vermeiden ist, und dergleichen kommt oft genug vor, da kann man pwa_356.037
die Deutlichkeit am besten dadurch retten, dass man, sobald der pwa_356.038
Zwischensatz abgethan ist, den übergeordneten Satz entweder wirklich pwa_356.039
von Neuem beginnt, oder doch mit einer kurzen Rückdeutung auf das pwa_356.040
bereits Dagewesene fortsetzt. Ein althochdeutsches Beispiel und pwa_356.041
zugleich einen Beleg für den Barbarismus des elften Jahrhunderts bietet

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Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 356. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/374>, abgerufen am 22.11.2024.