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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

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Wortspiele sind die meisten Schwüre und Flüche, die von dem pwa_406.002
Worte, das man vermeidet, weil es böse ist oder heilig und deshalb pwa_406.003
nicht soll missbraucht werden, nur einen Theil beibehalten, sonst aber pwa_406.004
ihn irgendwie verändern. So z. B. statt Sacrament Sapperment, statt pwa_406.005
Sapperment Sappermost, statt Herr Jesus Her Je oder Her Jegerle, pwa_406.006
statt Gottes Wetter Potz Wetter, statt Gottes Leichnam Potz Leichnam, pwa_406.007
statt Gottes Blitz Potz Blitz, statt Gottes Teufel Potz Tausend, statt pwa_406.008
der Teufel der Tausend, statt Teufel auch Deixel oder Deiker. Vgl. pwa_406.009
Grimm, Deutsches Wörterbuch 2, 279. Aehnliches auch im Französischen: pwa_406.010
diantre statt diable, morbleu statt mort Dieu, corbleu statt corps Dieu.

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So viel von den Figuren und Tropen, die zur Sinnlichkeit des pwa_406.012
Ausdrucks dienen, und die somit auf dem einen Wege liegen, der zur pwa_406.013
Anschaulichkeit hinführt (S. 371).

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Neben jenem Wege her läuft nun noch ein anderer: ausser der pwa_406.015
Sinnlichkeit kommt es im Stil der Poesie noch an auf Lebendigkeit. pwa_406.016
Die Sinnlichkeit beruhte und zeigte sich in der Auffassung und im pwa_406.017
Ausdruck der einzelnen Vorstellungen, in der Wahl der Worte und pwa_406.018
ihrer Formen: die Lebendigkeit hat es mit der organisierten Entwickelung pwa_406.019
der Vorstellungen zu thun, sie wird sich also kund thun in der pwa_406.020
Anordnung und Verbindung der Worte. Es ist nicht genug an der pwa_406.021
blossen Sinnlichkeit der einzelnen Vorstellungen, denn damit hat man pwa_406.022
wenn auch sinnliche Einzelheiten, doch immer nur Einzelheiten: ein pwa_406.023
anschauliches Ganzes wird daraus erst dann, wenn diese Einzelheiten pwa_406.024
zusammentreten und sich vereinigen unter dem Merkmal der Lebendigkeit, pwa_406.025
nämlich in einem bewegten Vorwärtsschreiten von Vorstellung pwa_406.026
zu Vorstellung, das jedoch, damit die Einbildung ihm folgen und auch pwa_406.027
der Verstand es fassen könne, wieder in sich selbst gezügelt und pwa_406.028
gemässigt und zur Einheit zusammengehalten sein muss. Also Bewegung pwa_406.029
und doch wieder Ruhe, Vorwärtsschreiten und doch wieder pwa_406.030
Innehalten.

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Es wird für die bessere Verdeutlichung dieses Gegenstandes nicht pwa_406.032
ohne Nutzen sein, wenn wir von dem Gebiete der blossen äusseren pwa_406.033
Darstellung, des Stils, einen Blick hinüberwerfen in das Gebiet der pwa_406.034
poetischen Production und Composition selbst: wir nehmen da ein entsprechendes pwa_406.035
und auch in sich scheinbar ebenso zwiespältiges Verfahren pwa_406.036
wahr. Auch hier wird zum Behufe der Lebendigkeit ebensowohl das pwa_406.037
eigentlich Ruhende bewegt aufgefasst, als auch in dem an sich Bewegten pwa_406.038
wieder ruhend innegehalten.

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Was zuerst die Belebung des Ruhenden durch Bewegung betrifft, pwa_406.040
so zeigt sich diese in dem organischen Gesetze aller Poesie, nirgend pwa_406.041
eigentlich zu beschreiben, sondern überall die Beschreibung in Erzählung

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Wortspiele sind die meisten Schwüre und Flüche, die von dem pwa_406.002
Worte, das man vermeidet, weil es böse ist oder heilig und deshalb pwa_406.003
nicht soll missbraucht werden, nur einen Theil beibehalten, sonst aber pwa_406.004
ihn irgendwie verändern. So z. B. statt Sacrament Sapperment, statt pwa_406.005
Sapperment Sappermost, statt Herr Jesus Her Je oder Her Jegerle, pwa_406.006
statt Gottes Wetter Potz Wetter, statt Gottes Leichnam Potz Leichnam, pwa_406.007
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der Teufel der Tausend, statt Teufel auch Deixel oder Deiker. Vgl. pwa_406.009
Grimm, Deutsches Wörterbuch 2, 279. Aehnliches auch im Französischen: pwa_406.010
diantre statt diable, morbleu statt mort Dieu, corbleu statt corps Dieu.

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So viel von den Figuren und Tropen, die zur Sinnlichkeit des pwa_406.012
Ausdrucks dienen, und die somit auf dem einen Wege liegen, der zur pwa_406.013
Anschaulichkeit hinführt (S. 371).

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Neben jenem Wege her läuft nun noch ein anderer: ausser der pwa_406.015
Sinnlichkeit kommt es im Stil der Poesie noch an auf Lebendigkeit. pwa_406.016
Die Sinnlichkeit beruhte und zeigte sich in der Auffassung und im pwa_406.017
Ausdruck der einzelnen Vorstellungen, in der Wahl der Worte und pwa_406.018
ihrer Formen: die Lebendigkeit hat es mit der organisierten Entwickelung pwa_406.019
der Vorstellungen zu thun, sie wird sich also kund thun in der pwa_406.020
Anordnung und Verbindung der Worte. Es ist nicht genug an der pwa_406.021
blossen Sinnlichkeit der einzelnen Vorstellungen, denn damit hat man pwa_406.022
wenn auch sinnliche Einzelheiten, doch immer nur Einzelheiten: ein pwa_406.023
anschauliches Ganzes wird daraus erst dann, wenn diese Einzelheiten pwa_406.024
zusammentreten und sich vereinigen unter dem Merkmal der Lebendigkeit, pwa_406.025
nämlich in einem bewegten Vorwärtsschreiten von Vorstellung pwa_406.026
zu Vorstellung, das jedoch, damit die Einbildung ihm folgen und auch pwa_406.027
der Verstand es fassen könne, wieder in sich selbst gezügelt und pwa_406.028
gemässigt und zur Einheit zusammengehalten sein muss. Also Bewegung pwa_406.029
und doch wieder Ruhe, Vorwärtsschreiten und doch wieder pwa_406.030
Innehalten.

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Es wird für die bessere Verdeutlichung dieses Gegenstandes nicht pwa_406.032
ohne Nutzen sein, wenn wir von dem Gebiete der blossen äusseren pwa_406.033
Darstellung, des Stils, einen Blick hinüberwerfen in das Gebiet der pwa_406.034
poetischen Production und Composition selbst: wir nehmen da ein entsprechendes pwa_406.035
und auch in sich scheinbar ebenso zwiespältiges Verfahren pwa_406.036
wahr. Auch hier wird zum Behufe der Lebendigkeit ebensowohl das pwa_406.037
eigentlich Ruhende bewegt aufgefasst, als auch in dem an sich Bewegten pwa_406.038
wieder ruhend innegehalten.

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[406/0424] pwa_406.001 Wortspiele sind die meisten Schwüre und Flüche, die von dem pwa_406.002 Worte, das man vermeidet, weil es böse ist oder heilig und deshalb pwa_406.003 nicht soll missbraucht werden, nur einen Theil beibehalten, sonst aber pwa_406.004 ihn irgendwie verändern. So z. B. statt Sacrament Sapperment, statt pwa_406.005 Sapperment Sappermost, statt Herr Jesus Her Je oder Her Jegerle, pwa_406.006 statt Gottes Wetter Potz Wetter, statt Gottes Leichnam Potz Leichnam, pwa_406.007 statt Gottes Blitz Potz Blitz, statt Gottes Teufel Potz Tausend, statt pwa_406.008 der Teufel der Tausend, statt Teufel auch Deixel oder Deiker. Vgl. pwa_406.009 Grimm, Deutsches Wörterbuch 2, 279. Aehnliches auch im Französischen: pwa_406.010 diantre statt diable, morbleu statt mort Dieu, corbleu statt corps Dieu. pwa_406.011 So viel von den Figuren und Tropen, die zur Sinnlichkeit des pwa_406.012 Ausdrucks dienen, und die somit auf dem einen Wege liegen, der zur pwa_406.013 Anschaulichkeit hinführt (S. 371). pwa_406.014 Neben jenem Wege her läuft nun noch ein anderer: ausser der pwa_406.015 Sinnlichkeit kommt es im Stil der Poesie noch an auf Lebendigkeit. pwa_406.016 Die Sinnlichkeit beruhte und zeigte sich in der Auffassung und im pwa_406.017 Ausdruck der einzelnen Vorstellungen, in der Wahl der Worte und pwa_406.018 ihrer Formen: die Lebendigkeit hat es mit der organisierten Entwickelung pwa_406.019 der Vorstellungen zu thun, sie wird sich also kund thun in der pwa_406.020 Anordnung und Verbindung der Worte. Es ist nicht genug an der pwa_406.021 blossen Sinnlichkeit der einzelnen Vorstellungen, denn damit hat man pwa_406.022 wenn auch sinnliche Einzelheiten, doch immer nur Einzelheiten: ein pwa_406.023 anschauliches Ganzes wird daraus erst dann, wenn diese Einzelheiten pwa_406.024 zusammentreten und sich vereinigen unter dem Merkmal der Lebendigkeit, pwa_406.025 nämlich in einem bewegten Vorwärtsschreiten von Vorstellung pwa_406.026 zu Vorstellung, das jedoch, damit die Einbildung ihm folgen und auch pwa_406.027 der Verstand es fassen könne, wieder in sich selbst gezügelt und pwa_406.028 gemässigt und zur Einheit zusammengehalten sein muss. Also Bewegung pwa_406.029 und doch wieder Ruhe, Vorwärtsschreiten und doch wieder pwa_406.030 Innehalten. pwa_406.031 Es wird für die bessere Verdeutlichung dieses Gegenstandes nicht pwa_406.032 ohne Nutzen sein, wenn wir von dem Gebiete der blossen äusseren pwa_406.033 Darstellung, des Stils, einen Blick hinüberwerfen in das Gebiet der pwa_406.034 poetischen Production und Composition selbst: wir nehmen da ein entsprechendes pwa_406.035 und auch in sich scheinbar ebenso zwiespältiges Verfahren pwa_406.036 wahr. Auch hier wird zum Behufe der Lebendigkeit ebensowohl das pwa_406.037 eigentlich Ruhende bewegt aufgefasst, als auch in dem an sich Bewegten pwa_406.038 wieder ruhend innegehalten. pwa_406.039 Was zuerst die Belebung des Ruhenden durch Bewegung betrifft, pwa_406.040 so zeigt sich diese in dem organischen Gesetze aller Poesie, nirgend pwa_406.041 eigentlich zu beschreiben, sondern überall die Beschreibung in Erzählung

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Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 406. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/424>, abgerufen am 22.11.2024.