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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

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der vorangehenden ist, und zuletzt ereilt den Bösewicht die höchste: pwa_027.002
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sittliches Gefühl findet doch am Ende noch die volle Befriedigung. pwa_027.004
Es ist das also ein Drama ungefähr in der Art jener strafenden Satiren. pwa_027.005
Anders die Mitschuldigen von Göthe: hier wird zwar nicht pwa_027.006
gemordet, wie dort im Richard; es wird sonst gesündigt z. B. durch pwa_027.007
Diebstahl. Aber von Strafe, von Genugthuung der beleidigten Sittlichkeit pwa_027.008
nicht die leiseste Spur: während im Richard endlich doch pwa_027.009
noch Gottes Rache den Verbrecher ereilt, löst sich hier alles in gegenseitiger pwa_027.010
Nachsicht der Mitschuldigen auf, und es ist dem Zuschauer pwa_027.011
vergönnt, sich eine lange Fernsicht von weiteren stillschweigend geduldeten pwa_027.012
Diebstählen u. dgl. hinten dran zu malen. Aber man vergesse pwa_027.013
nicht, dass diess eine Jugendarbeit Göthes ist, die er noch in Leipzig pwa_027.014
als Student in den sechziger Jahren des vorigen Jahrhunderts verfasst pwa_027.015
hat. Er selbst hat das Fehlerhafte wohl erkannt; in seinem Leben1 pwa_027.016
spricht er sich darüber deutlich aus: "Das heitere und burleske Wesen pwa_027.017
erscheint auf dem düsteren Familiengrunde als von etwas Bänglichem pwa_027.018
begleitet, so dass es bei der Vorstellung im Ganzen ängstiget, wenn pwa_027.019
es im Einzelnen ergetzt. Die hart ausgesprochenen widergesetzlichen pwa_027.020
Handlungen verletzen das ästhetische und moralische Gefühl, und deswegen pwa_027.021
konnte das Stück auf dem deutschen Theater keinen Eingang pwa_027.022
gewinnen, obgleich die Nachahmungen desselben, welche sich fern pwa_027.023
von jenen Klippen gehalten, mit Beifall aufgenommen worden."

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So haben wir nun nach zwei Seiten hin die Conflicte betrachtet, pwa_027.025
in welche die Einbildungskraft hier mit dem Gefühl, dort mit dem pwa_027.026
Verstande gerathen kann, und die vorübergehenden Negierungen und pwa_027.027
Beseitigungen des einen oder des andern, die der Erfolg solches Conflictes pwa_027.028
sein können. Gewöhnlich ist der Conflict, ist die Negierung pwa_027.029
nur eine solche einseitige, wie es bisher dargestellt worden; nicht pwa_027.030
selten aber geht der Widerspruch, geht die Stillstellung auch zugleich pwa_027.031
nach beiden Seiten hin, so dass sich mit dem Spott und der Ironie pwa_027.032
noch die Laune und die Wehmuth und der Humor verbinden, also pwa_027.033
beide, der Verstand wie das Gefühl, gegen die Einbildung anstreiten; pwa_027.034
oft genug vereinigt sich auch das Erhabene mit dem Grausenhaften, pwa_027.035
indem die Einbildung hier den Verstand, dort das Gefühl gefangen pwa_027.036
nimmt; und nicht minder häufig wird das Hässliche zugleich ekelhaft pwa_027.037
oder lasterhaft sein, weil ausser dem Verstande auch das sinnliche pwa_027.038
und sittliche Gefühl die Anschauungen der Einbildung unleidlich findet.

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Sämmtliche Werke, Ausgabe letzter Hand 25, 113.

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der vorangehenden ist, und zuletzt ereilt den Bösewicht die höchste: pwa_027.002
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sittliches Gefühl findet doch am Ende noch die volle Befriedigung. pwa_027.004
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vergönnt, sich eine lange Fernsicht von weiteren stillschweigend geduldeten pwa_027.012
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hat. Er selbst hat das Fehlerhafte wohl erkannt; in seinem Leben1 pwa_027.016
spricht er sich darüber deutlich aus: „Das heitere und burleske Wesen pwa_027.017
erscheint auf dem düsteren Familiengrunde als von etwas Bänglichem pwa_027.018
begleitet, so dass es bei der Vorstellung im Ganzen ängstiget, wenn pwa_027.019
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Handlungen verletzen das ästhetische und moralische Gefühl, und deswegen pwa_027.021
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gewinnen, obgleich die Nachahmungen desselben, welche sich fern pwa_027.023
von jenen Klippen gehalten, mit Beifall aufgenommen worden.“

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So haben wir nun nach zwei Seiten hin die Conflicte betrachtet, pwa_027.025
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Verstande gerathen kann, und die vorübergehenden Negierungen und pwa_027.027
Beseitigungen des einen oder des andern, die der Erfolg solches Conflictes pwa_027.028
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selten aber geht der Widerspruch, geht die Stillstellung auch zugleich pwa_027.031
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Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/45>, abgerufen am 21.11.2024.