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Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873

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zur Beredsamkeit und als Empfehlung derselben beachtenswerth ist: pwa_448.002
Schupps Schriften 1, 852.

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Besondere, eigenthümlich characteristische Regeln für den Stil pwa_448.004
der rednerischen Prosa und der lyrischen Poesie lassen sich kaum pwa_448.005
geben, deshalb weil die rednerische Prosa eben Prosa, und die lyrische pwa_448.006
Poesie eben Poesie ist, mithin im Ganzen und Allgemeinen dieselben pwa_448.007
Regeln hier fortgelten, die wir früherhin für die Prosa und die pwa_448.008
Poesie gefunden haben, und weil wir auch schon mehrfach sind genöthigt pwa_448.009
gewesen, in Besonderheiten vorzugreifen. Es lassen sich deren pwa_448.010
nur noch einige einzelne hervorheben; dieser letzte Abschnitt der pwa_448.011
Stilistik wird deswegen alsbald abgethan sein.

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Wir sprechen zunächst von der oratorischen Prosa.

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Es hat dieselbe zuerst eine rein prosaische Seite: denn verständige pwa_448.014
Ueberzeugung ist überall und für jeglichen Redner eine wesentliche pwa_448.015
und hauptsächliche Absicht, und dieser Absicht gemäss ist Deutlichkeit pwa_448.016
für den Verstand auch eine wesentliche und hauptsächliche pwa_448.017
Anforderung. Demnach wiederholen sich auf dieser Seite all die einzelnen pwa_448.018
positiven und negativen Regeln, die wir seiner Zeit als Regeln pwa_448.019
des prosaischen Stils haben kennen lernen; es wiederholen sich namentlich pwa_448.020
die Regeln über den Periodenbau (S. 345). Diess ist aber auch zugleich pwa_448.021
ein Punct, in welchem sich die prosaische Seite des rednerischen Stils pwa_448.022
mit der mehr poetischen berührt, und in welchem sich deshalb auch pwa_448.023
die rednerische Prosa von der übrigen um einige Schritte entfernt. pwa_448.024
Die gewöhnliche Prosa nämlich, da verständige Deutlichkeit die einzige pwa_448.025
Aufgabe ist, die sie zu erfüllen hat, verlangt einfache, leicht pwa_448.026
überschaubare Perioden, kürzere Satzgefüge, in denen Anfang und pwa_448.027
Ende nicht zu weit von einander liegen: die rednerische Prosa, die pwa_448.028
nicht bloss auf Deutlichkeit ausgeht, die auch der Einbildung und pwa_448.029
dem Gefühle dient, von der mithin eine lebensvollere schöne Sinnlichkeit pwa_448.030
gefordert wird, duldet nicht bloss, sie liebt sogar grössere, umfangreichere pwa_448.031
Perioden, weil sich deren Bau eher zu künstlerischer Schönheit pwa_448.032
ausbilden lässt; bei kürzeren Satzgefügen führt der beständige pwa_448.033
gleichmässige Wechsel gehobener und gesenkter Glieder leicht und pwa_448.034
bald zur Eintönigkeit: der oratorische Stil verdeckt diese Eintönigkeit pwa_448.035
und vermeidet sie, indem er seinen Perioden eine grössere Fülle pwa_448.036
verschiedenartiger Glieder giebt und in deren Aufbau eine den Sinnen pwa_448.037
wohlthuende Mannigfaltigkeit entwickelt. Natürlich verfährt in dieser pwa_448.038
Beziehung der niedere Stil der Rede anders als der höhere, und der pwa_448.039
mittlere hält eben die schwebende Mitte zwischen beiden. Dem niederen pwa_448.040
Stil stehn noch die einfacheren Perioden zu: denn er liegt noch pwa_448.041
an der Grenze der gewöhnlichen Prosa; dem höheren Stil die kunstreicher

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zur Beredsamkeit und als Empfehlung derselben beachtenswerth ist: pwa_448.002
Schupps Schriften 1, 852.

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Besondere, eigenthümlich characteristische Regeln für den Stil pwa_448.004
der rednerischen Prosa und der lyrischen Poesie lassen sich kaum pwa_448.005
geben, deshalb weil die rednerische Prosa eben Prosa, und die lyrische pwa_448.006
Poesie eben Poesie ist, mithin im Ganzen und Allgemeinen dieselben pwa_448.007
Regeln hier fortgelten, die wir früherhin für die Prosa und die pwa_448.008
Poesie gefunden haben, und weil wir auch schon mehrfach sind genöthigt pwa_448.009
gewesen, in Besonderheiten vorzugreifen. Es lassen sich deren pwa_448.010
nur noch einige einzelne hervorheben; dieser letzte Abschnitt der pwa_448.011
Stilistik wird deswegen alsbald abgethan sein.

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Wir sprechen zunächst von der oratorischen Prosa.

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Es hat dieselbe zuerst eine rein prosaische Seite: denn verständige pwa_448.014
Ueberzeugung ist überall und für jeglichen Redner eine wesentliche pwa_448.015
und hauptsächliche Absicht, und dieser Absicht gemäss ist Deutlichkeit pwa_448.016
für den Verstand auch eine wesentliche und hauptsächliche pwa_448.017
Anforderung. Demnach wiederholen sich auf dieser Seite all die einzelnen pwa_448.018
positiven und negativen Regeln, die wir seiner Zeit als Regeln pwa_448.019
des prosaischen Stils haben kennen lernen; es wiederholen sich namentlich pwa_448.020
die Regeln über den Periodenbau (S. 345). Diess ist aber auch zugleich pwa_448.021
ein Punct, in welchem sich die prosaische Seite des rednerischen Stils pwa_448.022
mit der mehr poetischen berührt, und in welchem sich deshalb auch pwa_448.023
die rednerische Prosa von der übrigen um einige Schritte entfernt. pwa_448.024
Die gewöhnliche Prosa nämlich, da verständige Deutlichkeit die einzige pwa_448.025
Aufgabe ist, die sie zu erfüllen hat, verlangt einfache, leicht pwa_448.026
überschaubare Perioden, kürzere Satzgefüge, in denen Anfang und pwa_448.027
Ende nicht zu weit von einander liegen: die rednerische Prosa, die pwa_448.028
nicht bloss auf Deutlichkeit ausgeht, die auch der Einbildung und pwa_448.029
dem Gefühle dient, von der mithin eine lebensvollere schöne Sinnlichkeit pwa_448.030
gefordert wird, duldet nicht bloss, sie liebt sogar grössere, umfangreichere pwa_448.031
Perioden, weil sich deren Bau eher zu künstlerischer Schönheit pwa_448.032
ausbilden lässt; bei kürzeren Satzgefügen führt der beständige pwa_448.033
gleichmässige Wechsel gehobener und gesenkter Glieder leicht und pwa_448.034
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und vermeidet sie, indem er seinen Perioden eine grössere Fülle pwa_448.036
verschiedenartiger Glieder giebt und in deren Aufbau eine den Sinnen pwa_448.037
wohlthuende Mannigfaltigkeit entwickelt. Natürlich verfährt in dieser pwa_448.038
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Zitationshilfe: Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873, S. 448. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wackernagel_poetik_1873/466>, abgerufen am 22.11.2024.