Wackernagel, Wilhelm: Poetik, Rhetorik und Stilistik: Academische Vorlesungen. Hrsg. v. L. Sieber. Halle, 1873pwa_061.001 pwa_061.033 pwa_061.035 1 pwa_061.039 Od. 1, 326. 2 pwa_061.040
Od. 8, 266-365. Od. 8, 500-520. pwa_061.001 pwa_061.033 pwa_061.035 1 pwa_061.039 Od. 1, 326. 2 pwa_061.040
Od. 8, 266–365. Od. 8, 500–520. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0079" n="61"/><lb n="pwa_061.001"/> der Achäer<note xml:id="pwa_061_1" place="foot" n="1"><lb n="pwa_061.039"/> Od. 1, 326.</note>, dem Demodokos der Mythus von Ares und Aphrodite <lb n="pwa_061.002"/> und die Sage vom trojanischen Pferde<note xml:id="pwa_061_2" place="foot" n="2"><lb n="pwa_061.040"/> Od. 8, 266–365. Od. 8, 500–520.</note>. Jedesmal also ein Verlauf von <lb n="pwa_061.003"/> Thatsachen: jedesmal aber auch ein Hauptereigniss, das als Kern und <lb n="pwa_061.004"/> Mitte dieses Verlaufes dasteht, und von dem aus in causaler Folge <lb n="pwa_061.005"/> Anfang und Ende leicht zu ermessen und bald zu erreichen sind. <lb n="pwa_061.006"/> Zwar liegen vor dem Anfang in weiterer Ferne immer noch frühere <lb n="pwa_061.007"/> Motive: vor der Sage vom trojanischen Pferde lange Jahre vergeblicher <lb n="pwa_061.008"/> Belagerung, vor der von der unheilvollen Heimkehr der ganze <lb n="pwa_061.009"/> trojanische Krieg und was ihm zunächst vorangegangen: aber diese <lb n="pwa_061.010"/> früheren Motive darf der Sänger ja als allbekannt voraussetzen; der <lb n="pwa_061.011"/> ganze grosse epische Vorrath ist seinen Zuhörern allen lebendig gegenwärtig, <lb n="pwa_061.012"/> und er greift nur bald hier, bald dort hinein, um jetzt für <lb n="pwa_061.013"/> dieses, jetzt für jenes Ereigniss ihre Aufmerksamkeit in Anspruch zu <lb n="pwa_061.014"/> nehmen: was aber vorher geschehen, und was hernach daraus erfolgt <lb n="pwa_061.015"/> sei, das braucht er kaum leise andeutend zu berühren. Noch ein <lb n="pwa_061.016"/> recht schlagendes Beispiel von solcher eng begrenzten Thatsächlichkeit <lb n="pwa_061.017"/> liefert das althochdeutsche Lied von Hildebrand und Hadebrand <lb n="pwa_061.018"/> LB. 1 <hi rendition="#sup">4</hi>, 55. Uns, denen der sagenhafte Zusammenhang fremd geworden <lb n="pwa_061.019"/> ist, erscheint es fragmentarisch abgerissen, wenn der Dichter <lb n="pwa_061.020"/> gleich damit beginnt, zu sagen: „Hildebrand und Hadebrand forderten <lb n="pwa_061.021"/> sich zwischen zwei Heeren zum Zweikampf heraus“; wir fragen: „wer <lb n="pwa_061.022"/> sind die beiden? und was für Heere? und wie kommen sie zum Zweikampf?“ <lb n="pwa_061.023"/> Die Zeitgenossen des Dichters dagegen kannten die beiden <lb n="pwa_061.024"/> Personen sehr wohl schon anderswoher und wussten die vorangegangenen <lb n="pwa_061.025"/> Ereignisse und die begleitenden Umstände: sie konnte der <lb n="pwa_061.026"/> Dichter gleich in medias res versetzen, um ihnen nur diese eine Sage <lb n="pwa_061.027"/> vom Kampf des Vaters mit dem eigenen Sohne vorzuführen. Deshalb <lb n="pwa_061.028"/> sagt er zu Anfang des Gedichtes nicht bloss von sich, sondern <lb n="pwa_061.029"/> auch von seinen Zuhörern: „Ich habe das sagen hören, dass sich <lb n="pwa_061.030"/> forderten zu einem Kampfe Hildebrand und Hadebrand.“ In solcher <lb n="pwa_061.031"/> Weise ist schon die Anschauung selbst bedingt durch die alterthümliche <lb n="pwa_061.032"/> Art und Weise der Mittheilung durch den lebendigen Gesang.</p> <p><lb n="pwa_061.033"/> Andre Anforderungen, die auch in der mündlichen Mittheilbarkeit <lb n="pwa_061.034"/> begründet sind, beziehen sich auf die Darstellung.</p> <p><lb n="pwa_061.035"/> Der Zweck der Darstellung ist, wie wir früher gesehen haben, <lb n="pwa_061.036"/> dass sie zur Reproduction der Anschauung reize und helfe; sie soll, <lb n="pwa_061.037"/> was der Dichter angeschaut hat, nun auch für Andre anschaulich <lb n="pwa_061.038"/> machen. Es wird mithin von der epischen Darstellung Anschaulichkeit </p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [61/0079]
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der Achäer 1, dem Demodokos der Mythus von Ares und Aphrodite pwa_061.002
und die Sage vom trojanischen Pferde 2. Jedesmal also ein Verlauf von pwa_061.003
Thatsachen: jedesmal aber auch ein Hauptereigniss, das als Kern und pwa_061.004
Mitte dieses Verlaufes dasteht, und von dem aus in causaler Folge pwa_061.005
Anfang und Ende leicht zu ermessen und bald zu erreichen sind. pwa_061.006
Zwar liegen vor dem Anfang in weiterer Ferne immer noch frühere pwa_061.007
Motive: vor der Sage vom trojanischen Pferde lange Jahre vergeblicher pwa_061.008
Belagerung, vor der von der unheilvollen Heimkehr der ganze pwa_061.009
trojanische Krieg und was ihm zunächst vorangegangen: aber diese pwa_061.010
früheren Motive darf der Sänger ja als allbekannt voraussetzen; der pwa_061.011
ganze grosse epische Vorrath ist seinen Zuhörern allen lebendig gegenwärtig, pwa_061.012
und er greift nur bald hier, bald dort hinein, um jetzt für pwa_061.013
dieses, jetzt für jenes Ereigniss ihre Aufmerksamkeit in Anspruch zu pwa_061.014
nehmen: was aber vorher geschehen, und was hernach daraus erfolgt pwa_061.015
sei, das braucht er kaum leise andeutend zu berühren. Noch ein pwa_061.016
recht schlagendes Beispiel von solcher eng begrenzten Thatsächlichkeit pwa_061.017
liefert das althochdeutsche Lied von Hildebrand und Hadebrand pwa_061.018
LB. 1 4, 55. Uns, denen der sagenhafte Zusammenhang fremd geworden pwa_061.019
ist, erscheint es fragmentarisch abgerissen, wenn der Dichter pwa_061.020
gleich damit beginnt, zu sagen: „Hildebrand und Hadebrand forderten pwa_061.021
sich zwischen zwei Heeren zum Zweikampf heraus“; wir fragen: „wer pwa_061.022
sind die beiden? und was für Heere? und wie kommen sie zum Zweikampf?“ pwa_061.023
Die Zeitgenossen des Dichters dagegen kannten die beiden pwa_061.024
Personen sehr wohl schon anderswoher und wussten die vorangegangenen pwa_061.025
Ereignisse und die begleitenden Umstände: sie konnte der pwa_061.026
Dichter gleich in medias res versetzen, um ihnen nur diese eine Sage pwa_061.027
vom Kampf des Vaters mit dem eigenen Sohne vorzuführen. Deshalb pwa_061.028
sagt er zu Anfang des Gedichtes nicht bloss von sich, sondern pwa_061.029
auch von seinen Zuhörern: „Ich habe das sagen hören, dass sich pwa_061.030
forderten zu einem Kampfe Hildebrand und Hadebrand.“ In solcher pwa_061.031
Weise ist schon die Anschauung selbst bedingt durch die alterthümliche pwa_061.032
Art und Weise der Mittheilung durch den lebendigen Gesang.
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Andre Anforderungen, die auch in der mündlichen Mittheilbarkeit pwa_061.034
begründet sind, beziehen sich auf die Darstellung.
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Der Zweck der Darstellung ist, wie wir früher gesehen haben, pwa_061.036
dass sie zur Reproduction der Anschauung reize und helfe; sie soll, pwa_061.037
was der Dichter angeschaut hat, nun auch für Andre anschaulich pwa_061.038
machen. Es wird mithin von der epischen Darstellung Anschaulichkeit
1 pwa_061.039
Od. 1, 326.
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Od. 8, 266–365. Od. 8, 500–520.
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