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Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776.

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Humbrecht (spottend im nemlichen Ton.) Guten
Abend, meine Jungfer Tochter!
Fr. Humbrecht. Du fährst sie aber auch im-
mer so an; -- kein Wunder, wenn sie sich vor
dir fürchtet.
Humbrecht. Fürchtet! vor mir! -- Tausend
Element! bin ich nicht ihr Vater! he, Evchen, bin
ichs nicht? soll ich etwa, wenn ich mit meinem Kind
rede, jedes Wort auf die Goldwaage legen? --
Das gieng mir, hohl mich der Kuckuck, noch ab!
Fr. Humbrecht. Närrchen! wer sagt denn
das? -- nur dein Ton --
Humbrecht. Mein Ton, mein Ton! ist frei-
lich keiner von den zuckersüßen, mit Butter ge-
schmierten, in dem unsre glattzüngichte Herren ih-
re Komplimenten herkrähen; -- meine Tochter,
dächt ich aber, hätt in siebzehn, achtzehn Jahren,
ihn schon gewohnen können! -- Jch bin doch auch,
bey meiner Seelen Seeligkeit, kein Menschenfresser
nicht! -- Komm her, Evchen, komm! -- bist ein
guts Mädchen gewesen, hast deiner Mutter ge-
beichtet? gelt! du hast?
Evchen (verwirrt.) Liebster Vater!
Fr. Humbrecht. Ja ja! sie hat; laß sie nur
zufrieden jetzt, sollst alles hören.
Humbrecht. Das ist brav! Das ist recht! --
(küßt sie.) jetzt bist du mir wieder doppelt lieb. --
Wars denn aber auch der Müh werth, den
Kopf so zu hängen?
Fr. Humbrecht. Du wirsts schon hören, sag
ich.
Hum-
E 2


Humbrecht (ſpottend im nemlichen Ton.) Guten
Abend, meine Jungfer Tochter!
Fr. Humbrecht. Du faͤhrſt ſie aber auch im-
mer ſo an; — kein Wunder, wenn ſie ſich vor
dir fuͤrchtet.
Humbrecht. Fuͤrchtet! vor mir! — Tauſend
Element! bin ich nicht ihr Vater! he, Evchen, bin
ichs nicht? ſoll ich etwa, wenn ich mit meinem Kind
rede, jedes Wort auf die Goldwaage legen? —
Das gieng mir, hohl mich der Kuckuck, noch ab!
Fr. Humbrecht. Naͤrrchen! wer ſagt denn
das? — nur dein Ton —
Humbrecht. Mein Ton, mein Ton! iſt frei-
lich keiner von den zuckerſuͤßen, mit Butter ge-
ſchmierten, in dem unſre glattzuͤngichte Herren ih-
re Komplimenten herkraͤhen; — meine Tochter,
daͤcht ich aber, haͤtt in ſiebzehn, achtzehn Jahren,
ihn ſchon gewohnen koͤnnen! — Jch bin doch auch,
bey meiner Seelen Seeligkeit, kein Menſchenfreſſer
nicht! — Komm her, Evchen, komm! — biſt ein
guts Maͤdchen geweſen, haſt deiner Mutter ge-
beichtet? gelt! du haſt?
Evchen (verwirrt.) Liebſter Vater!
Fr. Humbrecht. Ja ja! ſie hat; laß ſie nur
zufrieden jetzt, ſollſt alles hoͤren.
Humbrecht. Das iſt brav! Das iſt recht! —
(kuͤßt ſie.) jetzt biſt du mir wieder doppelt lieb. —
Wars denn aber auch der Muͤh werth, den
Kopf ſo zu haͤngen?
Fr. Humbrecht. Du wirſts ſchon hoͤren, ſag
ich.
Hum-
E 2
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[67/0069] Humbrecht (ſpottend im nemlichen Ton.) Guten Abend, meine Jungfer Tochter! Fr. Humbrecht. Du faͤhrſt ſie aber auch im- mer ſo an; — kein Wunder, wenn ſie ſich vor dir fuͤrchtet. Humbrecht. Fuͤrchtet! vor mir! — Tauſend Element! bin ich nicht ihr Vater! he, Evchen, bin ichs nicht? ſoll ich etwa, wenn ich mit meinem Kind rede, jedes Wort auf die Goldwaage legen? — Das gieng mir, hohl mich der Kuckuck, noch ab! Fr. Humbrecht. Naͤrrchen! wer ſagt denn das? — nur dein Ton — Humbrecht. Mein Ton, mein Ton! iſt frei- lich keiner von den zuckerſuͤßen, mit Butter ge- ſchmierten, in dem unſre glattzuͤngichte Herren ih- re Komplimenten herkraͤhen; — meine Tochter, daͤcht ich aber, haͤtt in ſiebzehn, achtzehn Jahren, ihn ſchon gewohnen koͤnnen! — Jch bin doch auch, bey meiner Seelen Seeligkeit, kein Menſchenfreſſer nicht! — Komm her, Evchen, komm! — biſt ein guts Maͤdchen geweſen, haſt deiner Mutter ge- beichtet? gelt! du haſt? Evchen (verwirrt.) Liebſter Vater! Fr. Humbrecht. Ja ja! ſie hat; laß ſie nur zufrieden jetzt, ſollſt alles hoͤren. Humbrecht. Das iſt brav! Das iſt recht! — (kuͤßt ſie.) jetzt biſt du mir wieder doppelt lieb. — Wars denn aber auch der Muͤh werth, den Kopf ſo zu haͤngen? Fr. Humbrecht. Du wirſts ſchon hoͤren, ſag ich. Hum- E 2

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Zitationshilfe: Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776/69>, abgerufen am 23.11.2024.