Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776. Humbrecht. Fast sollt ich bös werden, daß du mir die Gunst nicht angethan hast; gestern erst, meynt ich, ich müßt dirs heraus hexen. -- Da war aber mein Ton wohl schuld dran. -- Wirst also wieder hübsch munter seyn, Evchen? Evchen. So viel mir möglich. Humbrecht. Wieder in Gesellschaften, in die Kirch gehn? nicht immer in deinem Stall sitzen? -- Fr. Humbrecht. Puh! was Fragen! das wird sich schon finden: eins nach dem andern. -- Jetzt ists Zeit Schlafen zu gehn, es schlägt gleich zwölf. -- Komm Alter! (zieht ihn am Ermel fort.) Gut Nacht, Evchen! Humbrecht. Busoir, Busoir! -- heut will ich dir einen Stiefel wegschnarchen, Frau! -- (macht sich los, kehrt um, und nimmt Evchen bey der Hand.) verzeih dir der liebe Gott alle die schlaflosen Näch- te, die du uns eine Zeither gemacht hast. -- Schau! ich weiß er hat alle meine Seufzer, alle Thränen deiner Mutter gezählt; mög er dir keine aufrechnen, mein Kind! -- keine! -- sonst müß- ten sie aufs neu fließen. -- (Evchen fällt ihm wei- nend um den Hals, und küßt ihn.) Jetzt schlaff wohl! (ab.) Evchen (ihm nachsehend.) Armer Mann! guter, unglücklicher Vater! -- (tiefseufzend.) ich fürcht, ich fürcht, die schlaflosesten Nächte hast du noch zu erwarten! -- Sein Zorn ist mir fürchterlich, aber, Gott weiß es, seine Liebe noch mehr! -- -- (setzt sich hin, und ließt eine Zeitlang.) -- Umsonst! es
Humbrecht. Faſt ſollt ich boͤs werden, daß du mir die Gunſt nicht angethan haſt; geſtern erſt, meynt ich, ich muͤßt dirs heraus hexen. — Da war aber mein Ton wohl ſchuld dran. — Wirſt alſo wieder huͤbſch munter ſeyn, Evchen? Evchen. So viel mir moͤglich. Humbrecht. Wieder in Geſellſchaften, in die Kirch gehn? nicht immer in deinem Stall ſitzen? — Fr. Humbrecht. Puh! was Fragen! das wird ſich ſchon finden: eins nach dem andern. — Jetzt iſts Zeit Schlafen zu gehn, es ſchlaͤgt gleich zwoͤlf. — Komm Alter! (zieht ihn am Ermel fort.) Gut Nacht, Evchen! Humbrecht. Buſoir, Buſoir! — heut will ich dir einen Stiefel wegſchnarchen, Frau! — (macht ſich los, kehrt um, und nimmt Evchen bey der Hand.) verzeih dir der liebe Gott alle die ſchlafloſen Naͤch- te, die du uns eine Zeither gemacht haſt. — Schau! ich weiß er hat alle meine Seufzer, alle Thraͤnen deiner Mutter gezaͤhlt; moͤg er dir keine aufrechnen, mein Kind! — keine! — ſonſt muͤß- ten ſie aufs neu fließen. — (Evchen faͤllt ihm wei- nend um den Hals, und kuͤßt ihn.) Jetzt ſchlaff wohl! (ab.) Evchen (ihm nachſehend.) Armer Mann! guter, ungluͤcklicher Vater! — (tiefſeufzend.) ich fuͤrcht, ich fuͤrcht, die ſchlafloſeſten Naͤchte haſt du noch zu erwarten! — Sein Zorn iſt mir fuͤrchterlich, aber, Gott weiß es, ſeine Liebe noch mehr! — — (ſetzt ſich hin, und ließt eine Zeitlang.) — Umſonſt! es
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war aber mein Ton wohl ſchuld dran. — Wirſt
alſo wieder huͤbſch munter ſeyn, Evchen?
Evchen. So viel mir moͤglich.
Humbrecht. Wieder in Geſellſchaften, in die
Kirch gehn? nicht immer in deinem Stall ſitzen? —
Fr. Humbrecht. Puh! was Fragen! das
wird ſich ſchon finden: eins nach dem andern. —
Jetzt iſts Zeit Schlafen zu gehn, es ſchlaͤgt gleich
zwoͤlf. — Komm Alter! (zieht ihn am Ermel fort.)
Gut Nacht, Evchen!
Humbrecht. Buſoir, Buſoir! — heut will
ich dir einen Stiefel wegſchnarchen, Frau! —
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verzeih dir der liebe Gott alle die ſchlafloſen Naͤch-
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Thraͤnen deiner Mutter gezaͤhlt; moͤg er dir keine
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