Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776.

Bild:
<< vorherige Seite


es thuts nicht -- ich les und lese, und wenn ich
das Blatt umschlag, weiß ich kein Wort mehr von
allem, was drauf steht. -- (legt das Buch hin,
geht sehr bewegt, ein paarmal auf und ab.)
-- Grö-
ningseck! Gröningseck! wast hast du nicht zu ver-
antworten! --
v. Gröningseck (der mittlerweil ganz angezogen,
doch ohne Hut und Degen, zur Thür hereinschlich, stellt
sein Licht auf den Tisch, und stürzt ihr plötzlich zu Füßen.)

Das weiß ich, Liebste, Theuerste! wills verant-
worten, will alles gut machen. --
Evchen (bebt zurück.) Wie! sie erkühnen sich --
um Mitternacht -- was wollen sie? was ist ihre
Absicht?
v. Gröningseck. Die reinste, tugendhafteste,
die je ein Mann gehabt hat. Jhnen ihre Ruhe
wieder zu geben --
Evchen. Können sie das? können sie geschehne
Sachen ungeschehn machen? -- oder wollen sie sich
zum Gott lügen, und mich noch einmal täuschen?
v. Gröningseck. Das nicht, Cvchen! wahr-
haftig nicht! -- Das letzte mag ich nicht, das
erste kann ich nicht -- und doch wollt ich, ich
könnts! mit meinem Blut wollt ich ihn wiederkau-
fen, den unglücklichen Augenblick, da ich im Tau-
mel --
Evchen. Er ist mir tief genug in die Seele ge-
brennt, sie brauchen mich nicht noch selbst daran zu
erinnern; -- oder -- sind sie Satans genug, Ver-
führer und Kläger zugleich zu seyn? --
v. Grö-
E 3


es thuts nicht — ich les und leſe, und wenn ich
das Blatt umſchlag, weiß ich kein Wort mehr von
allem, was drauf ſteht. — (legt das Buch hin,
geht ſehr bewegt, ein paarmal auf und ab.)
— Groͤ-
ningseck! Groͤningseck! waſt haſt du nicht zu ver-
antworten! —
v. Groͤningseck (der mittlerweil ganz angezogen,
doch ohne Hut und Degen, zur Thuͤr hereinſchlich, ſtellt
ſein Licht auf den Tiſch, und ſtuͤrzt ihr ploͤtzlich zu Fuͤßen.)

Das weiß ich, Liebſte, Theuerſte! wills verant-
worten, will alles gut machen. —
Evchen (bebt zuruͤck.) Wie! ſie erkuͤhnen ſich —
um Mitternacht — was wollen ſie? was iſt ihre
Abſicht?
v. Groͤningseck. Die reinſte, tugendhafteſte,
die je ein Mann gehabt hat. Jhnen ihre Ruhe
wieder zu geben —
Evchen. Koͤnnen ſie das? koͤnnen ſie geſchehne
Sachen ungeſchehn machen? — oder wollen ſie ſich
zum Gott luͤgen, und mich noch einmal taͤuſchen?
v. Groͤningseck. Das nicht, Cvchen! wahr-
haftig nicht! — Das letzte mag ich nicht, das
erſte kann ich nicht — und doch wollt ich, ich
koͤnnts! mit meinem Blut wollt ich ihn wiederkau-
fen, den ungluͤcklichen Augenblick, da ich im Tau-
mel —
Evchen. Er iſt mir tief genug in die Seele ge-
brennt, ſie brauchen mich nicht noch ſelbſt daran zu
erinnern; — oder — ſind ſie Satans genug, Ver-
fuͤhrer und Klaͤger zugleich zu ſeyn? —
v. Groͤ-
E 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <sp who="#EHUM">
          <p><pb facs="#f0071" n="69"/><fw place="top" type="header"><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/></fw> es thuts nicht &#x2014; ich les und le&#x017F;e, und wenn ich<lb/>
das Blatt um&#x017F;chlag, weiß ich kein Wort mehr von<lb/>
allem, was drauf &#x017F;teht. &#x2014; <stage>(legt das Buch hin,<lb/>
geht &#x017F;ehr bewegt, ein paarmal auf und ab.)</stage> &#x2014; Gro&#x0364;-<lb/>
ningseck! Gro&#x0364;ningseck! wa&#x017F;t ha&#x017F;t du nicht zu ver-<lb/>
antworten! &#x2014;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#GRN">
          <speaker> <hi rendition="#b">v. Gro&#x0364;ningseck</hi> </speaker>
          <stage>(der mittlerweil ganz angezogen,<lb/>
doch ohne Hut und Degen, zur Thu&#x0364;r herein&#x017F;chlich, &#x017F;tellt<lb/>
&#x017F;ein Licht auf den Ti&#x017F;ch, und &#x017F;tu&#x0364;rzt ihr plo&#x0364;tzlich zu Fu&#x0364;ßen.)</stage><lb/>
          <p>Das weiß ich, Lieb&#x017F;te, Theuer&#x017F;te! <hi rendition="#fr">wills</hi> verant-<lb/>
worten, will <hi rendition="#fr">alles</hi> gut machen. &#x2014;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#EHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Evchen</hi> </speaker>
          <stage>(bebt zuru&#x0364;ck.)</stage>
          <p>Wie! &#x017F;ie erku&#x0364;hnen &#x017F;ich &#x2014;<lb/>
um Mitternacht &#x2014; was wollen &#x017F;ie? was i&#x017F;t ihre<lb/>
Ab&#x017F;icht?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#GRN">
          <speaker> <hi rendition="#b">v. Gro&#x0364;ningseck.</hi> </speaker>
          <p>Die rein&#x017F;te, tugendhafte&#x017F;te,<lb/>
die je ein Mann gehabt hat. Jhnen ihre Ruhe<lb/>
wieder zu geben &#x2014;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#EHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Evchen.</hi> </speaker>
          <p>Ko&#x0364;nnen &#x017F;ie das? ko&#x0364;nnen &#x017F;ie ge&#x017F;chehne<lb/>
Sachen unge&#x017F;chehn machen? &#x2014; oder wollen &#x017F;ie &#x017F;ich<lb/>
zum Gott lu&#x0364;gen, und mich noch <hi rendition="#fr">einmal</hi> ta&#x0364;u&#x017F;chen?</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#GRN">
          <speaker> <hi rendition="#b">v. Gro&#x0364;ningseck.</hi> </speaker>
          <p>Das nicht, Cvchen! wahr-<lb/>
haftig nicht! &#x2014; Das letzte mag ich nicht, das<lb/>
er&#x017F;te kann ich nicht &#x2014; und doch wollt ich, ich<lb/>
ko&#x0364;nnts! mit meinem Blut wollt ich ihn wiederkau-<lb/>
fen, den unglu&#x0364;cklichen Augenblick, da ich im Tau-<lb/>
mel &#x2014;</p>
        </sp><lb/>
        <sp who="#EHUM">
          <speaker> <hi rendition="#b">Evchen.</hi> </speaker>
          <p>Er i&#x017F;t mir tief genug in die Seele ge-<lb/>
brennt, &#x017F;ie brauchen mich nicht noch &#x017F;elb&#x017F;t daran zu<lb/>
erinnern; &#x2014; oder &#x2014; &#x017F;ind &#x017F;ie Satans genug, Ver-<lb/>
fu&#x0364;hrer und Kla&#x0364;ger zugleich zu &#x017F;eyn? &#x2014;</p>
        </sp><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">E 3</fw>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#b">v. Gro&#x0364;-</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[69/0071] es thuts nicht — ich les und leſe, und wenn ich das Blatt umſchlag, weiß ich kein Wort mehr von allem, was drauf ſteht. — (legt das Buch hin, geht ſehr bewegt, ein paarmal auf und ab.) — Groͤ- ningseck! Groͤningseck! waſt haſt du nicht zu ver- antworten! — v. Groͤningseck (der mittlerweil ganz angezogen, doch ohne Hut und Degen, zur Thuͤr hereinſchlich, ſtellt ſein Licht auf den Tiſch, und ſtuͤrzt ihr ploͤtzlich zu Fuͤßen.) Das weiß ich, Liebſte, Theuerſte! wills verant- worten, will alles gut machen. — Evchen (bebt zuruͤck.) Wie! ſie erkuͤhnen ſich — um Mitternacht — was wollen ſie? was iſt ihre Abſicht? v. Groͤningseck. Die reinſte, tugendhafteſte, die je ein Mann gehabt hat. Jhnen ihre Ruhe wieder zu geben — Evchen. Koͤnnen ſie das? koͤnnen ſie geſchehne Sachen ungeſchehn machen? — oder wollen ſie ſich zum Gott luͤgen, und mich noch einmal taͤuſchen? v. Groͤningseck. Das nicht, Cvchen! wahr- haftig nicht! — Das letzte mag ich nicht, das erſte kann ich nicht — und doch wollt ich, ich koͤnnts! mit meinem Blut wollt ich ihn wiederkau- fen, den ungluͤcklichen Augenblick, da ich im Tau- mel — Evchen. Er iſt mir tief genug in die Seele ge- brennt, ſie brauchen mich nicht noch ſelbſt daran zu erinnern; — oder — ſind ſie Satans genug, Ver- fuͤhrer und Klaͤger zugleich zu ſeyn? — v. Groͤ- E 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776/71
Zitationshilfe: Wagner, Heinrich Leopold: Die Kindermörderinn. Leipzig, 1776, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_kindermoerderin_1776/71>, abgerufen am 27.11.2024.