Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.mag er die Natur selbst sich künstlerisch darzustellen und mag er die Natur ſelbſt ſich künſtleriſch darzuſtellen und <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0157" n="141"/> mag er die Natur ſelbſt ſich künſtleriſch <hi rendition="#g">darzuſtellen</hi> und<lb/> dem Einzigen, für den dieſe Darſtellung berechnet ſein<lb/> kann, dem Menſchen, aus — wenn auch nicht gleich be¬<lb/> dürfnißvollem — doch ähnlichem Drange, als das Kunſt¬<lb/> werk, deſſen Gegenſtand und Stoff er eben ſelbſt iſt, <hi rendition="#g">mit¬<lb/> zutheilen</hi>. Nur aber der Menſch, der bereits aus ſich und<lb/> an ſich das unmittelbar menſchliche Kunſtwerk hervorgebracht<lb/> hat, ſich ſelbſt alſo künſtleriſch zu erfaſſen und mitzutheilen<lb/> vermag, iſt daher auch fähig die <hi rendition="#g">Natur</hi> ſich künſtleriſch<lb/> darzuſtellen; nicht der unentwickelte, naturunterwürfige.<lb/> Die Völker <hi rendition="#g">Aſiens</hi> und ſelbſt <hi rendition="#g">Aegyptens</hi>, denen die<lb/> Natur nur noch als willkürliche elementariſche oder thieri¬<lb/> ſche Macht ſich darſtellte, zu der ſich der Menſch unbedingt<lb/> leidend oder bis zur Selbſtverſtümmelung ſchwelgend ver¬<lb/> hielt, ſtellten die Natur auch als anbetungswürdigen und<lb/> für die Anbetung darzuſtellenden Gegenſtand <hi rendition="#g">voran</hi>,<lb/> ohne ſie, gerade eben deshalb, zum freien, künſtleriſchen<lb/> Bewußtſein ſich erheben zu können. Hier wurde denn<lb/> auch der Menſch nie ſich ſelbſt Gegenſtand künſtleriſcher<lb/> Darſtellung, ſondern, da der Menſch alles Perſönliche —<lb/> wie die perſönliche Naturmacht — unwillkürlich endlich doch<lb/> nur nach menſchlichem Maaße zu <hi rendition="#g">begreifen</hi> vermochte, ſo<lb/> trug er ſeine Geſtalt auch nur, und zwar in widerlichſter<lb/> Entſtellung, auf die darzuſtellenden Gegenſtände der Natur<lb/><hi rendition="#g">über</hi>.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [141/0157]
mag er die Natur ſelbſt ſich künſtleriſch darzuſtellen und
dem Einzigen, für den dieſe Darſtellung berechnet ſein
kann, dem Menſchen, aus — wenn auch nicht gleich be¬
dürfnißvollem — doch ähnlichem Drange, als das Kunſt¬
werk, deſſen Gegenſtand und Stoff er eben ſelbſt iſt, mit¬
zutheilen. Nur aber der Menſch, der bereits aus ſich und
an ſich das unmittelbar menſchliche Kunſtwerk hervorgebracht
hat, ſich ſelbſt alſo künſtleriſch zu erfaſſen und mitzutheilen
vermag, iſt daher auch fähig die Natur ſich künſtleriſch
darzuſtellen; nicht der unentwickelte, naturunterwürfige.
Die Völker Aſiens und ſelbſt Aegyptens, denen die
Natur nur noch als willkürliche elementariſche oder thieri¬
ſche Macht ſich darſtellte, zu der ſich der Menſch unbedingt
leidend oder bis zur Selbſtverſtümmelung ſchwelgend ver¬
hielt, ſtellten die Natur auch als anbetungswürdigen und
für die Anbetung darzuſtellenden Gegenſtand voran,
ohne ſie, gerade eben deshalb, zum freien, künſtleriſchen
Bewußtſein ſich erheben zu können. Hier wurde denn
auch der Menſch nie ſich ſelbſt Gegenſtand künſtleriſcher
Darſtellung, ſondern, da der Menſch alles Perſönliche —
wie die perſönliche Naturmacht — unwillkürlich endlich doch
nur nach menſchlichem Maaße zu begreifen vermochte, ſo
trug er ſeine Geſtalt auch nur, und zwar in widerlichſter
Entſtellung, auf die darzuſtellenden Gegenſtände der Natur
über.
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