Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.rückzuspiegeln, einmal abgewonnen, -- so war dieses ent¬ Durch das eisengepanzerte, oder mönchisch verhüllte rückzuſpiegeln, einmal abgewonnen, — ſo war dieſes ent¬ Durch das eiſengepanzerte, oder mönchiſch verhüllte <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0181" n="165"/> rückzuſpiegeln, einmal abgewonnen, — ſo war dieſes <hi rendition="#g">ent¬<lb/> deckte</hi> Verfahren ein ſicher zu <hi rendition="#g">erlernendes</hi>, und von<lb/> Nachbildung zu Nachbildung konnte die Bildhauerkunſt<lb/> undenklich lange fortleben, Anmuthiges, Schönes und<lb/> Wahres hervorbringen, <hi rendition="#g">ohne</hi> dennoch aus wirklicher,<lb/> künſtleriſcher Schöpferkraft Nahrung zu empfangen. So<lb/> finden wir denn auch, daß zu der Zeit der römiſchen Welt¬<lb/> herrſchaft, als aller künſtleriſche Trieb längſt erſtorben<lb/> war, <hi rendition="#g">die Bildhauerkunſt</hi> in zahlreicher Fülle Werke<lb/> zu Tage brachte, denen künſtleriſcher Geiſt inne zu wohnen<lb/> ſchien, trotzdem ſie doch nur der glücklich nachahmenden<lb/> Mechanik in Wahrheit ihr Daſein verdankten: ſie konnte<lb/> ein ſchönes Handwerk werden, als ſie aufgehört hatte,<lb/> Kunſt zu ſein, was ſie genau nur ſo lange war, als in ihr<lb/> noch zu entdecken, zu erfinden war; die Wiederholung einer<lb/> Entdeckung iſt aber eben nur Nachahmung.</p><lb/> <p>Durch das eiſengepanzerte, oder mönchiſch verhüllte<lb/> Mittelalter her, leuchtete der lebensbedürftigen Menſchheit<lb/> endlich zuerſt das ſchimmernde Marmorfleiſch griechiſcher<lb/> Leibesſchönheit wieder entgegen: an dieſem ſchönen <hi rendition="#g">Ge¬<lb/> ſtein</hi>, nicht an dem wirklichen Leben der alten Welt ſollte<lb/> die neuere den Menſchen wiedererkennen lernen. Unſere<lb/> moderne Bildhauerkunſt entkeimte nicht dem Drange nach<lb/> Darſtellung des wirklich <hi rendition="#g">vorhandenen</hi> Menſchen, den<lb/> ſie durch ſeine modiſche Verhüllung kaum zu gewahren ver¬<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [165/0181]
rückzuſpiegeln, einmal abgewonnen, — ſo war dieſes ent¬
deckte Verfahren ein ſicher zu erlernendes, und von
Nachbildung zu Nachbildung konnte die Bildhauerkunſt
undenklich lange fortleben, Anmuthiges, Schönes und
Wahres hervorbringen, ohne dennoch aus wirklicher,
künſtleriſcher Schöpferkraft Nahrung zu empfangen. So
finden wir denn auch, daß zu der Zeit der römiſchen Welt¬
herrſchaft, als aller künſtleriſche Trieb längſt erſtorben
war, die Bildhauerkunſt in zahlreicher Fülle Werke
zu Tage brachte, denen künſtleriſcher Geiſt inne zu wohnen
ſchien, trotzdem ſie doch nur der glücklich nachahmenden
Mechanik in Wahrheit ihr Daſein verdankten: ſie konnte
ein ſchönes Handwerk werden, als ſie aufgehört hatte,
Kunſt zu ſein, was ſie genau nur ſo lange war, als in ihr
noch zu entdecken, zu erfinden war; die Wiederholung einer
Entdeckung iſt aber eben nur Nachahmung.
Durch das eiſengepanzerte, oder mönchiſch verhüllte
Mittelalter her, leuchtete der lebensbedürftigen Menſchheit
endlich zuerſt das ſchimmernde Marmorfleiſch griechiſcher
Leibesſchönheit wieder entgegen: an dieſem ſchönen Ge¬
ſtein, nicht an dem wirklichen Leben der alten Welt ſollte
die neuere den Menſchen wiedererkennen lernen. Unſere
moderne Bildhauerkunſt entkeimte nicht dem Drange nach
Darſtellung des wirklich vorhandenen Menſchen, den
ſie durch ſeine modiſche Verhüllung kaum zu gewahren ver¬
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |