Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.Schauen und Hören sich gänzlich auf die Bühne; der Dar¬ Solche Wunder entblühen dem Bauwerke des Archi¬ muß das absolute Interesse der Kunst auf das Empfindlichste
beeinträchtigt werden, und so wird kein Baumeister der Welt es z. B. vermögen die, durch die Trennung unsres Publikums in die unterschiedensten Stände und Staatsbürgerkategorien gebotene Uebereinanderschichtung und Zersplitterung der Zuschauerräume zu einem Gesetze der Schönheit zu erheben. Denkt man sich in die Räume des gemeinsamen Theaters der Zukunft, so erkennt man ohne Mühe, daß in ihm ein ungeahnt reiches Feld der Erfindung offen steht. Schauen und Hören ſich gänzlich auf die Bühne; der Dar¬ Solche Wunder entblühen dem Bauwerke des Archi¬ muß das abſolute Intereſſe der Kunſt auf das Empfindlichſte
beeinträchtigt werden, und ſo wird kein Baumeiſter der Welt es z. B. vermögen die, durch die Trennung unſres Publikums in die unterſchiedenſten Stände und Staatsbürgerkategorien gebotene Uebereinanderſchichtung und Zerſplitterung der Zuſchauerräume zu einem Geſetze der Schönheit zu erheben. Denkt man ſich in die Räume des gemeinſamen Theaters der Zukunft, ſo erkennt man ohne Mühe, daß in ihm ein ungeahnt reiches Feld der Erfindung offen ſteht. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0205" n="189"/> Schauen und Hören ſich gänzlich auf die Bühne; der Dar¬<lb/> ſteller iſt Künſtler nur durch volles Aufgehen in das Pub¬<lb/> likum. Alles, was auf der Bühne athmet und ſich bewegt,<lb/> athmet und bewegt ſich durch ausdrucksvolles Verlangen<lb/> nach Mittheilung, nach Angeſchaut-Angehörtwerden in<lb/> jenem Raume, der, bei immer nur verhältnißmäßigem<lb/> Umfange, vom ſceniſchen Standpunkte aus dem Darſteller<lb/> doch die geſammte Menſchheit zu enthalten dünkt; aus dem<lb/> Zuſchauerraume aber verſchwindet das Publikum, dieſer<lb/> Repräſentant des öffentlichen Lebens, ſich ſelbſt; es lebt<lb/> und athmet nur noch in dem Kunſtwerke, das ihm das<lb/> Leben ſelbſt, und auf der Scene, die ihm der Weltraum<lb/> dünkt.</p><lb/> <p>Solche Wunder entblühen dem Bauwerke des Archi¬<lb/> tekten, ſolchen Zaubern vermag er realen Grund und<lb/> Boden zu geben, wenn er die Abſicht des höchſten menſch¬<lb/><note xml:id="note-0205" prev="#note-0204" place="foot" n="*)">muß das abſolute Intereſſe der Kunſt auf das Empfindlichſte<lb/> beeinträchtigt werden, und ſo wird kein Baumeiſter der Welt es<lb/> z. B. vermögen die, durch die Trennung unſres Publikums in die<lb/> unterſchiedenſten Stände und Staatsbürgerkategorien gebotene<lb/> Uebereinanderſchichtung und Zerſplitterung der Zuſchauerräume<lb/> zu einem Geſetze der Schönheit zu erheben. Denkt man ſich in die<lb/> Räume des gemeinſamen Theaters der Zukunft, ſo erkennt man<lb/> ohne Mühe, daß in ihm ein ungeahnt reiches Feld der Erfindung<lb/> offen ſteht.<lb/></note> </p> </div> </body> </text> </TEI> [189/0205]
Schauen und Hören ſich gänzlich auf die Bühne; der Dar¬
ſteller iſt Künſtler nur durch volles Aufgehen in das Pub¬
likum. Alles, was auf der Bühne athmet und ſich bewegt,
athmet und bewegt ſich durch ausdrucksvolles Verlangen
nach Mittheilung, nach Angeſchaut-Angehörtwerden in
jenem Raume, der, bei immer nur verhältnißmäßigem
Umfange, vom ſceniſchen Standpunkte aus dem Darſteller
doch die geſammte Menſchheit zu enthalten dünkt; aus dem
Zuſchauerraume aber verſchwindet das Publikum, dieſer
Repräſentant des öffentlichen Lebens, ſich ſelbſt; es lebt
und athmet nur noch in dem Kunſtwerke, das ihm das
Leben ſelbſt, und auf der Scene, die ihm der Weltraum
dünkt.
Solche Wunder entblühen dem Bauwerke des Archi¬
tekten, ſolchen Zaubern vermag er realen Grund und
Boden zu geben, wenn er die Abſicht des höchſten menſch¬
*)
*) muß das abſolute Intereſſe der Kunſt auf das Empfindlichſte
beeinträchtigt werden, und ſo wird kein Baumeiſter der Welt es
z. B. vermögen die, durch die Trennung unſres Publikums in die
unterſchiedenſten Stände und Staatsbürgerkategorien gebotene
Uebereinanderſchichtung und Zerſplitterung der Zuſchauerräume
zu einem Geſetze der Schönheit zu erheben. Denkt man ſich in die
Räume des gemeinſamen Theaters der Zukunft, ſo erkennt man
ohne Mühe, daß in ihm ein ungeahnt reiches Feld der Erfindung
offen ſteht.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |