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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

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-- nur Derjenige also, der nicht aus diesem Zusammen¬
hange des Hochmuthes und der Feigheit, der Unverschämt¬
heit und der Demuth, daher nicht aus dem staatsgesetz¬
lichen Rechte
-- das diesen Zusammenhang gewährlei¬
stet -- sondern aus der Fülle und Tiefe der wahren, nack¬
ten menschlichen Natur und dem unverjährbaren Rechte
ihres absoluten Bedürfnisses die Kraft zum Widerstand,
zur Empörung, zum Angriffe gegen den Bedränger dieser
Natur schöpft, der deshalb widerstehen, sich empören und
angreifen muß, und diese Nothwendigkeit offen und un¬
zweifelhaft dadurch bekennt, daß er jedes andere Leiden um
ihretwillen zu ertragen und, wenn es gilt, sein Leben selbst
zu opfern vermag, -- nur der gehört jetzt zum Volke,
denn er und alle ihm Gleichen fühlen eine gemeinsame
Noth. Diese Noth wird dem Volke die Herrschaft des
Lebens geben, sie wird es zur einzigen Macht des Lebens
erheben. Diese Noth trieb einst die Israeliten, da
sie bereits zu stumpfen, schmutzigen Lastthieren geworden
waren, durch das rothe Meer; und durch das rothe
Meer muß auch uns die Noth treiben, sollen wir, von
unsrer Schmach gereinigt, nach dem gelobten Lande gelan¬
gen. Wir werden in ihm nicht ertrinken, es ist nur den
Pharaonen dieser Welt verderblich, die schon einst mit
Mann und Maus, mit Roß und Reiter, drin verschlungen
wurden, -- die übermüthigen, stolzen Pharaonen, die da

— nur Derjenige alſo, der nicht aus dieſem Zuſammen¬
hange des Hochmuthes und der Feigheit, der Unverſchämt¬
heit und der Demuth, daher nicht aus dem ſtaatsgeſetz¬
lichen Rechte
— das dieſen Zuſammenhang gewährlei¬
ſtet — ſondern aus der Fülle und Tiefe der wahren, nack¬
ten menſchlichen Natur und dem unverjährbaren Rechte
ihres abſoluten Bedürfniſſes die Kraft zum Widerſtand,
zur Empörung, zum Angriffe gegen den Bedränger dieſer
Natur ſchöpft, der deshalb widerſtehen, ſich empören und
angreifen muß, und dieſe Nothwendigkeit offen und un¬
zweifelhaft dadurch bekennt, daß er jedes andere Leiden um
ihretwillen zu ertragen und, wenn es gilt, ſein Leben ſelbſt
zu opfern vermag, — nur der gehört jetzt zum Volke,
denn er und alle ihm Gleichen fühlen eine gemeinſame
Noth. Dieſe Noth wird dem Volke die Herrſchaft des
Lebens geben, ſie wird es zur einzigen Macht des Lebens
erheben. Dieſe Noth trieb einſt die Iſraeliten, da
ſie bereits zu ſtumpfen, ſchmutzigen Laſtthieren geworden
waren, durch das rothe Meer; und durch das rothe
Meer muß auch uns die Noth treiben, ſollen wir, von
unſrer Schmach gereinigt, nach dem gelobten Lande gelan¬
gen. Wir werden in ihm nicht ertrinken, es iſt nur den
Pharaonen dieſer Welt verderblich, die ſchon einſt mit
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[228/0244] — nur Derjenige alſo, der nicht aus dieſem Zuſammen¬ hange des Hochmuthes und der Feigheit, der Unverſchämt¬ heit und der Demuth, daher nicht aus dem ſtaatsgeſetz¬ lichen Rechte — das dieſen Zuſammenhang gewährlei¬ ſtet — ſondern aus der Fülle und Tiefe der wahren, nack¬ ten menſchlichen Natur und dem unverjährbaren Rechte ihres abſoluten Bedürfniſſes die Kraft zum Widerſtand, zur Empörung, zum Angriffe gegen den Bedränger dieſer Natur ſchöpft, der deshalb widerſtehen, ſich empören und angreifen muß, und dieſe Nothwendigkeit offen und un¬ zweifelhaft dadurch bekennt, daß er jedes andere Leiden um ihretwillen zu ertragen und, wenn es gilt, ſein Leben ſelbſt zu opfern vermag, — nur der gehört jetzt zum Volke, denn er und alle ihm Gleichen fühlen eine gemeinſame Noth. Dieſe Noth wird dem Volke die Herrſchaft des Lebens geben, ſie wird es zur einzigen Macht des Lebens erheben. Dieſe Noth trieb einſt die Iſraeliten, da ſie bereits zu ſtumpfen, ſchmutzigen Laſtthieren geworden waren, durch das rothe Meer; und durch das rothe Meer muß auch uns die Noth treiben, ſollen wir, von unſrer Schmach gereinigt, nach dem gelobten Lande gelan¬ gen. Wir werden in ihm nicht ertrinken, es iſt nur den Pharaonen dieſer Welt verderblich, die ſchon einſt mit Mann und Maus, mit Roß und Reiter, drin verſchlungen wurden, — die übermüthigen, ſtolzen Pharaonen, die da

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Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 228. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/244>, abgerufen am 21.11.2024.