Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.Weder Euch noch diesen Pöbel verstehen wir aber Weder Euch noch dieſen Pöbel verſtehen wir aber <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0243" n="227"/> <p>Weder <hi rendition="#g">Euch</hi> noch dieſen <hi rendition="#g">Pöbel</hi> verſtehen wir aber<lb/> unter dem <hi rendition="#g">Volke</hi>: nur wenn weder dieſer noch Ihr mehr<lb/> vorhanden ſeid, können wir uns erſt das Vorhandenſein<lb/> des Volkes vorſtellen. Schon jetzt lebt das Volk überall<lb/> da, wo Ihr und der Pöbel nicht ſeid, d. h. es lebt mitten<lb/> unter Euch beiden, nur daß Ihr nichts von ihm wißt:<lb/><hi rendition="#g">wißt</hi> Ihr von ihm, ſo ſeid Ihr auch ſchon Volk, denn von<lb/> der Fülle des Volkes kann man nicht wiſſen, ohne an ihr<lb/> Theil zu haben. Der Höchſtgebildete wie der Ungebildetſte,<lb/> der Wiſſendſte wie der Unwiſſendſte, der Hochgeſtellteſte<lb/> wie der Niedriggeſtellteſte, der im üppigen Schooße des<lb/> Luxus Aufgewachſene wie der aus dem unſauberen Neſte<lb/> der Armuth Emporgekrochene, der in gelehrter Herzloſigkeit<lb/> Auferzogene wie der in laſterhafter Rohheit Entwickelte, —<lb/> ſobald er einen Drang in ſich fühlt und nährt, der ihm<lb/> aus dem feigen Behagen an dem verbrecheriſchen Zuſam¬<lb/> menhange unſerer geſellſchaftlichen und ſtaatlichen Zuſtände<lb/> oder aus der ſtumpfſinnigen Untergebung unter ſie heraus¬<lb/> treibt, — der ihn Ekel an den ſchalen Freuden unſerer<lb/> unmenſchlichen Kultur oder Haß gegen ein Nützlichkeits¬<lb/> weſen — das nur dem Bedürfnißloſen, nicht aber dem Be¬<lb/> dürftigen Nutzen bringt — empfinden läßt, — der ihm<lb/> Verachtung gegen den ſelbſtgenügſamen Unterwürfigen<lb/> (dieſen allerunwürdigſten Egoiſten!) oder Zorn gegen den<lb/> übermüthigen Frevler an der menſchlichen Natur eingiebt,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [227/0243]
Weder Euch noch dieſen Pöbel verſtehen wir aber
unter dem Volke: nur wenn weder dieſer noch Ihr mehr
vorhanden ſeid, können wir uns erſt das Vorhandenſein
des Volkes vorſtellen. Schon jetzt lebt das Volk überall
da, wo Ihr und der Pöbel nicht ſeid, d. h. es lebt mitten
unter Euch beiden, nur daß Ihr nichts von ihm wißt:
wißt Ihr von ihm, ſo ſeid Ihr auch ſchon Volk, denn von
der Fülle des Volkes kann man nicht wiſſen, ohne an ihr
Theil zu haben. Der Höchſtgebildete wie der Ungebildetſte,
der Wiſſendſte wie der Unwiſſendſte, der Hochgeſtellteſte
wie der Niedriggeſtellteſte, der im üppigen Schooße des
Luxus Aufgewachſene wie der aus dem unſauberen Neſte
der Armuth Emporgekrochene, der in gelehrter Herzloſigkeit
Auferzogene wie der in laſterhafter Rohheit Entwickelte, —
ſobald er einen Drang in ſich fühlt und nährt, der ihm
aus dem feigen Behagen an dem verbrecheriſchen Zuſam¬
menhange unſerer geſellſchaftlichen und ſtaatlichen Zuſtände
oder aus der ſtumpfſinnigen Untergebung unter ſie heraus¬
treibt, — der ihn Ekel an den ſchalen Freuden unſerer
unmenſchlichen Kultur oder Haß gegen ein Nützlichkeits¬
weſen — das nur dem Bedürfnißloſen, nicht aber dem Be¬
dürftigen Nutzen bringt — empfinden läßt, — der ihm
Verachtung gegen den ſelbſtgenügſamen Unterwürfigen
(dieſen allerunwürdigſten Egoiſten!) oder Zorn gegen den
übermüthigen Frevler an der menſchlichen Natur eingiebt,
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