Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.bedürfnißlose Luxus seinen allesverzehrenden Heißhunger bedürfnißloſe Luxus ſeinen allesverzehrenden Heißhunger <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0242" n="226"/> bedürfnißloſe Luxus ſeinen allesverzehrenden Heißhunger<lb/> gewaltſam zu ſtillen ſucht, das natürliche Bedürfniß auf<lb/> der andern Seite nur durch Plack und Noth, unter den<lb/> entſtellendſten Sorgen, ſich mit dem Luxus zugleich befrie¬<lb/> digen kann. So lange Ihr intelligenten Egoiſten und egoiſti¬<lb/> ſchen Feingebildeten in künſtlichem Dufte erblüht, muß es<lb/> nothwendig einen Stoff geben, aus deſſen Lebensſafte Ihr<lb/> Eure ſüßlichen Parfüms deſtillirt: und dieſer Stoff, dem<lb/> Ihr ſeinen natürlichen Wohlgeruch entzogen habt, iſt nur<lb/> dieſer übelathmige Pöbel, vor deſſen Nähe es Euch ekelt,<lb/> und von dem Ihr Euch im Grunde einzig doch nur durch<lb/> jenen Parfüm unterſcheidet, den Ihr ſeiner natürlichen An¬<lb/> muth entpreßt habt. So lange ein großer Theil des Ge¬<lb/> ſammtvolkes in Staats-, Gerichts- und Univerſitätsämtern<lb/> in unnützeſter Geſchäftigkeit koſtbare Lebenskräfte vergeu¬<lb/> det, muß allerdings ein eben ſo großer, wenn nicht noch<lb/> größerer Theil desſelben in überſpannteſter Nutzthätigkeit<lb/> mit ſeinen eigenen auch jene vergeudeten Lebenskräfte er¬<lb/> ſetzen helfen, und — was das Allerſchlimmſte iſt! — wenn<lb/> ſomit in dieſem unmäßig angeſpannten Theile des Volkes, das<lb/> Nützliche, das nur Nutzenbringende, zur bewegenden Seele<lb/> aller Thätigkeit geworden iſt, ſo muß die widerliche Er¬<lb/> ſcheinung ſich herausſtellen, daß der abſolute Egoismus über¬<lb/> allhin ſeine Lebensgeſetze geltend macht, und aus Bürger- und<lb/> Bauerpöbel Euch wiederum mit häßlichſter Grimaſſe angrinzt.</p><lb/> </div> </body> </text> </TEI> [226/0242]
bedürfnißloſe Luxus ſeinen allesverzehrenden Heißhunger
gewaltſam zu ſtillen ſucht, das natürliche Bedürfniß auf
der andern Seite nur durch Plack und Noth, unter den
entſtellendſten Sorgen, ſich mit dem Luxus zugleich befrie¬
digen kann. So lange Ihr intelligenten Egoiſten und egoiſti¬
ſchen Feingebildeten in künſtlichem Dufte erblüht, muß es
nothwendig einen Stoff geben, aus deſſen Lebensſafte Ihr
Eure ſüßlichen Parfüms deſtillirt: und dieſer Stoff, dem
Ihr ſeinen natürlichen Wohlgeruch entzogen habt, iſt nur
dieſer übelathmige Pöbel, vor deſſen Nähe es Euch ekelt,
und von dem Ihr Euch im Grunde einzig doch nur durch
jenen Parfüm unterſcheidet, den Ihr ſeiner natürlichen An¬
muth entpreßt habt. So lange ein großer Theil des Ge¬
ſammtvolkes in Staats-, Gerichts- und Univerſitätsämtern
in unnützeſter Geſchäftigkeit koſtbare Lebenskräfte vergeu¬
det, muß allerdings ein eben ſo großer, wenn nicht noch
größerer Theil desſelben in überſpannteſter Nutzthätigkeit
mit ſeinen eigenen auch jene vergeudeten Lebenskräfte er¬
ſetzen helfen, und — was das Allerſchlimmſte iſt! — wenn
ſomit in dieſem unmäßig angeſpannten Theile des Volkes, das
Nützliche, das nur Nutzenbringende, zur bewegenden Seele
aller Thätigkeit geworden iſt, ſo muß die widerliche Er¬
ſcheinung ſich herausſtellen, daß der abſolute Egoismus über¬
allhin ſeine Lebensgeſetze geltend macht, und aus Bürger- und
Bauerpöbel Euch wiederum mit häßlichſter Grimaſſe angrinzt.
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