Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.dürfniß sympathetisch und rückhaltslos zu versenken vermag, Nicht Ihr Intelligenten seid daher erfinderisch, son¬ dürfniß ſympathetiſch und rückhaltslos zu verſenken vermag, Nicht Ihr Intelligenten ſeid daher erfinderiſch, ſon¬ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0035" n="19"/> dürfniß ſympathetiſch und rückhaltslos zu verſenken vermag,<lb/> kann es an der Thätigkeit des Unbewußtſeins Theil nehmen,<lb/> und erſt das, durch das unwillkürliche, nothwendige <hi rendition="#g">Be¬<lb/> dürfniß</hi> zu Tage geförderte, die wirkliche ſinnliche That,<lb/> kann wieder befriedigender Gegenſtand des Denkens und<lb/> Wiſſens werden; denn der Gang der menſchlichen Ent¬<lb/> wickelung iſt der vernunftgemäße, natürliche, vom Unbe¬<lb/> wußtſein zum Bewußtſein, vom Unwiſſen zum Wiſſen, vom<lb/> Bedürfniß zur Befriedigung, nicht von der Befriedigung<lb/> zum Bedürfniſſe — wenigſtens nicht zu dem Bedürfniſſe,<lb/> deſſen Ende jene Befriedigung war.</p><lb/> <p>Nicht Ihr Intelligenten ſeid daher erfinderiſch, ſon¬<lb/> dern das Volk, weil es die Noth zur Erfindung treibt:<lb/> alle großen Erfindungen ſind die Thaten des Volkes, wo¬<lb/> gegen die Erfindungen der Intelligenz nur die Ausbeu¬<lb/> tungen, Ableitungen, ja Zerſplitterungen, Verſtümme¬<lb/> lungen der großen Volkserfindungen ſind. Nicht Ihr habt<lb/> die <hi rendition="#g">Sprache</hi> erfunden, ſondern das Volk; Ihr habt ihre<lb/> ſinnliche Schönheit nur verderben, ihre Kraft nur brechen,<lb/> ihr inniges Verſtändniß nur verlieren, das Verlorene müh¬<lb/> ſelig nur wieder erforſchen können. Nicht Ihr ſeid die<lb/> Erfinder der <hi rendition="#g">Religion</hi>, ſondern das Volk; Ihr habt nur<lb/> ihren innigen Ausdruck entſtellen, den in ihr liegenden<lb/> Himmel zur Hölle, die in ihr ſich kundgebende Wahrheit<lb/> zur Lüge machen können. Nicht Ihr ſeid die Erfinder des<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [19/0035]
dürfniß ſympathetiſch und rückhaltslos zu verſenken vermag,
kann es an der Thätigkeit des Unbewußtſeins Theil nehmen,
und erſt das, durch das unwillkürliche, nothwendige Be¬
dürfniß zu Tage geförderte, die wirkliche ſinnliche That,
kann wieder befriedigender Gegenſtand des Denkens und
Wiſſens werden; denn der Gang der menſchlichen Ent¬
wickelung iſt der vernunftgemäße, natürliche, vom Unbe¬
wußtſein zum Bewußtſein, vom Unwiſſen zum Wiſſen, vom
Bedürfniß zur Befriedigung, nicht von der Befriedigung
zum Bedürfniſſe — wenigſtens nicht zu dem Bedürfniſſe,
deſſen Ende jene Befriedigung war.
Nicht Ihr Intelligenten ſeid daher erfinderiſch, ſon¬
dern das Volk, weil es die Noth zur Erfindung treibt:
alle großen Erfindungen ſind die Thaten des Volkes, wo¬
gegen die Erfindungen der Intelligenz nur die Ausbeu¬
tungen, Ableitungen, ja Zerſplitterungen, Verſtümme¬
lungen der großen Volkserfindungen ſind. Nicht Ihr habt
die Sprache erfunden, ſondern das Volk; Ihr habt ihre
ſinnliche Schönheit nur verderben, ihre Kraft nur brechen,
ihr inniges Verſtändniß nur verlieren, das Verlorene müh¬
ſelig nur wieder erforſchen können. Nicht Ihr ſeid die
Erfinder der Religion, ſondern das Volk; Ihr habt nur
ihren innigen Ausdruck entſtellen, den in ihr liegenden
Himmel zur Hölle, die in ihr ſich kundgebende Wahrheit
zur Lüge machen können. Nicht Ihr ſeid die Erfinder des
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