Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.tritt, entweder unverständlich, oder gar wieder als eine In Wahrheit haben wir auf diese Weise dem Streben tritt, entweder unverſtändlich, oder gar wieder als eine In Wahrheit haben wir auf dieſe Weiſe dem Streben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0047" n="31"/> tritt, entweder unverſtändlich, oder gar wieder als eine<lb/> erfundene neue Mode.</p><lb/> <p>In Wahrheit haben wir auf dieſe Weiſe dem Streben<lb/> nach Natur innerhalb des modernen Lebens und im Gegen¬<lb/> ſatze zu ihm nur die <hi rendition="#g">Manier</hi> und den häufigen, unruhi¬<lb/> gen Wechſel derſelben zu verdanken. An der Manier hat<lb/> ſich aber unwillkürlich wieder das Weſen der Mode offen¬<lb/> bart; ohne nothwendigen Zuſammenhang mit dem Leben,<lb/> tritt ſie, ebenſo willkürlich maßgebend in die Kunſt, wie<lb/> die Mode in das Leben, verſchmilzt ſich mit der Mode, und<lb/> beherrſcht, mit einer der ihrigen gleichen Macht, jedwede<lb/> Kunſtrichtung. Neben ihrem Ernſte zeigt ſie ſich — mit<lb/> faſt nicht minderer Nothwendigkeit — auch in vollſter Lächer¬<lb/> lichkeit; und neben Antike, Rennaiſſance und Mittelalter<lb/> bemächtigen Roccoco, Sitte und Gewand wilder Stämme<lb/> in neuentdeckten Ländern, wie die Urmode der Chineſen<lb/> und Japaneſen, ſich als „Manieren“ Zeitweiſe, und mehr<lb/> oder weniger, aller unſrer Kunſtarten; ja, der religiös<lb/> indifferenteſten vornehmen Theaterwelt wird der Fanatis¬<lb/> mus religiöſer Secten, der luxuriöſen Unnatur unſrer<lb/> Modewelt, die Naivetät ſchwäbiſcher Dorfbauern, den<lb/> feiſtgemäſteten Göttern unſrer Induſtrie, die Noth des<lb/> hungernden Proletariers, mit keinen andren Wirkungen<lb/> als denen unzureichender Stimulanz, von der leichtwechſeln¬<lb/> den Tagesmanier vorgeführt.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [31/0047]
tritt, entweder unverſtändlich, oder gar wieder als eine
erfundene neue Mode.
In Wahrheit haben wir auf dieſe Weiſe dem Streben
nach Natur innerhalb des modernen Lebens und im Gegen¬
ſatze zu ihm nur die Manier und den häufigen, unruhi¬
gen Wechſel derſelben zu verdanken. An der Manier hat
ſich aber unwillkürlich wieder das Weſen der Mode offen¬
bart; ohne nothwendigen Zuſammenhang mit dem Leben,
tritt ſie, ebenſo willkürlich maßgebend in die Kunſt, wie
die Mode in das Leben, verſchmilzt ſich mit der Mode, und
beherrſcht, mit einer der ihrigen gleichen Macht, jedwede
Kunſtrichtung. Neben ihrem Ernſte zeigt ſie ſich — mit
faſt nicht minderer Nothwendigkeit — auch in vollſter Lächer¬
lichkeit; und neben Antike, Rennaiſſance und Mittelalter
bemächtigen Roccoco, Sitte und Gewand wilder Stämme
in neuentdeckten Ländern, wie die Urmode der Chineſen
und Japaneſen, ſich als „Manieren“ Zeitweiſe, und mehr
oder weniger, aller unſrer Kunſtarten; ja, der religiös
indifferenteſten vornehmen Theaterwelt wird der Fanatis¬
mus religiöſer Secten, der luxuriöſen Unnatur unſrer
Modewelt, die Naivetät ſchwäbiſcher Dorfbauern, den
feiſtgemäſteten Göttern unſrer Induſtrie, die Noth des
hungernden Proletariers, mit keinen andren Wirkungen
als denen unzureichender Stimulanz, von der leichtwechſeln¬
den Tagesmanier vorgeführt.
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