Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.So jammervoll abhängig ist aber dieses stumme ab¬ Und hierbei giebt sich unleugbar noch das edelste O herrliche Tanzkunst! o schmähliche Tanzkunst! -- So jammervoll abhängig iſt aber dieſes ſtumme ab¬ Und hierbei giebt ſich unleugbar noch das edelſte O herrliche Tanzkunſt! o ſchmähliche Tanzkunſt! — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0083" n="67"/> <p>So jammervoll abhängig iſt aber dieſes ſtumme <hi rendition="#g">ab¬<lb/> ſolute Schauſpiel</hi>, daß es im glücklichen Falle nur mit<lb/> dramatiſchen Stoffen ſich abzugeben getraut, die zu der<lb/> menſchlichen Vernunft in gar keine Beziehung zu treten<lb/> brauchen, — aber ſelbſt in den günſtigſten Fällen dieſer<lb/> Art ſich zu dem ſchmähligen Auskunftsmittel genöthigt<lb/> ſieht, ſeine eigentliche Abſicht dem Zuſchauer durch ein <hi rendition="#g">er¬<lb/> klärendes Programm</hi> mitzutheilen!</p><lb/> <p>Und hierbei giebt ſich unleugbar noch das edelſte<lb/> Beſtreben der Tanzkunſt kund; ſie will doch wenigſtens<lb/> Etwas ſein, ſie ſchwingt ſich doch zu der Sehnſucht nach<lb/> dem höchſten Kunſtwerke, dem Drama auf; ſie ſucht ſich<lb/> dem widerlich lüſternen Blicke der Frivolität zu entziehen,<lb/> indem ſie nach einem künſtleriſchen Schleier greift, der ihre<lb/> ſchmachvolle Blöße decken ſoll. Aber in welche unwürdigſte<lb/> Abhängigkeit muß ſie gerade bei der Kundgebung dieſes<lb/> Strebens ſich werfen! Mit welch jämmerlicher Entſtellung<lb/> muß ſie das eitle Verlangen nach unnatürlicher Selbſtſtän¬<lb/> digkeit büßen. Sie, ohne deren höchſte, eigenthümlichſte<lb/> Mitwirkung das höchſte, edelſte Kunſtwerk nicht zur Erſchei¬<lb/> nung gelangen kann, muß — aus dem Vereine ihrer<lb/> Schweſtern geſchieden — von Proſtitution zur Lächerlich¬<lb/> keit, von Lächerlichkeit zur Proſtitution ſich flüchten! —</p><lb/> <p>O herrliche Tanzkunſt! o ſchmähliche Tanzkunſt! —</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [67/0083]
So jammervoll abhängig iſt aber dieſes ſtumme ab¬
ſolute Schauſpiel, daß es im glücklichen Falle nur mit
dramatiſchen Stoffen ſich abzugeben getraut, die zu der
menſchlichen Vernunft in gar keine Beziehung zu treten
brauchen, — aber ſelbſt in den günſtigſten Fällen dieſer
Art ſich zu dem ſchmähligen Auskunftsmittel genöthigt
ſieht, ſeine eigentliche Abſicht dem Zuſchauer durch ein er¬
klärendes Programm mitzutheilen!
Und hierbei giebt ſich unleugbar noch das edelſte
Beſtreben der Tanzkunſt kund; ſie will doch wenigſtens
Etwas ſein, ſie ſchwingt ſich doch zu der Sehnſucht nach
dem höchſten Kunſtwerke, dem Drama auf; ſie ſucht ſich
dem widerlich lüſternen Blicke der Frivolität zu entziehen,
indem ſie nach einem künſtleriſchen Schleier greift, der ihre
ſchmachvolle Blöße decken ſoll. Aber in welche unwürdigſte
Abhängigkeit muß ſie gerade bei der Kundgebung dieſes
Strebens ſich werfen! Mit welch jämmerlicher Entſtellung
muß ſie das eitle Verlangen nach unnatürlicher Selbſtſtän¬
digkeit büßen. Sie, ohne deren höchſte, eigenthümlichſte
Mitwirkung das höchſte, edelſte Kunſtwerk nicht zur Erſchei¬
nung gelangen kann, muß — aus dem Vereine ihrer
Schweſtern geſchieden — von Proſtitution zur Lächerlich¬
keit, von Lächerlichkeit zur Proſtitution ſich flüchten! —
O herrliche Tanzkunſt! o ſchmähliche Tanzkunſt! —
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