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Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.

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das schrankenlose Meer christlichen Sehnens fand das neue
Küstenland, an dem sich sein Ungestüm brechen konnte.
Wo wir am fernen Horizonte die stets erstrebte, nie aber
gefundene Einfahrt in den unbegränzten Himmelsraum
wähnten, da entdeckte endlich der kühnste aller Seefahrer
Land, menschenbewohntes, wirkliches, seliges Land. Durch
seine Entdeckung ist der weite Ocean nicht nur ermessen,
sondern den Menschen auch zum Binnenmeere gemacht
worden, um das sich die Küsten nur zu undenklich weiterem
Kreise ausbreiten. Hat Columbus uns aber gelehrt den
Ocean zu beschiffen und so alle Continente der Erde zu
verbinden; ist durch seine Entdeckung weltgeschichtlich der
kurzsichtige nationale Mensch zum allsichtigen, universellen,
-- zum Menschen überhaupt geworden, -- so sind durch
den Helden, der das weite, uferlose Meer der absoluten
Musik bis an seine Gränzen durchschiffte, die neuen, unge¬
ahnten Küsten gewonnen worden, die dieses Meer von
dem alten unmenschlichen Continente nun nicht mehr trennt,
sondern für die neugeborene, glückselige künstlerische Mensch¬
heit der Zukunft verbindet; und dieser Held ist kein
anderer als -- Beethoven. --

Als die Tonkunst sich aus dem Reigen der Schwe¬
stern löste nahm sie, als unerläßlichste nächste Lebens¬
bedingung, -- wie die leichtfertige Schwester Tanzkunst
sich von ihr das rhythmische Maß entnommen hatte, --

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das ſchrankenloſe Meer chriſtlichen Sehnens fand das neue
Küſtenland, an dem ſich ſein Ungeſtüm brechen konnte.
Wo wir am fernen Horizonte die ſtets erſtrebte, nie aber
gefundene Einfahrt in den unbegränzten Himmelsraum
wähnten, da entdeckte endlich der kühnſte aller Seefahrer
Land, menſchenbewohntes, wirkliches, ſeliges Land. Durch
ſeine Entdeckung iſt der weite Ocean nicht nur ermeſſen,
ſondern den Menſchen auch zum Binnenmeere gemacht
worden, um das ſich die Küſten nur zu undenklich weiterem
Kreiſe ausbreiten. Hat Columbus uns aber gelehrt den
Ocean zu beſchiffen und ſo alle Continente der Erde zu
verbinden; iſt durch ſeine Entdeckung weltgeſchichtlich der
kurzſichtige nationale Menſch zum allſichtigen, univerſellen,
— zum Menſchen überhaupt geworden, — ſo ſind durch
den Helden, der das weite, uferloſe Meer der abſoluten
Muſik bis an ſeine Gränzen durchſchiffte, die neuen, unge¬
ahnten Küſten gewonnen worden, die dieſes Meer von
dem alten unmenſchlichen Continente nun nicht mehr trennt,
ſondern für die neugeborene, glückſelige künſtleriſche Menſch¬
heit der Zukunft verbindet; und dieſer Held iſt kein
anderer als — Beethoven. —

Als die Tonkunſt ſich aus dem Reigen der Schwe¬
ſtern löſte nahm ſie, als unerläßlichſte nächſte Lebens¬
bedingung, — wie die leichtfertige Schweſter Tanzkunſt
ſich von ihr das rhythmiſche Maß entnommen hatte, —

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[75/0091] das ſchrankenloſe Meer chriſtlichen Sehnens fand das neue Küſtenland, an dem ſich ſein Ungeſtüm brechen konnte. Wo wir am fernen Horizonte die ſtets erſtrebte, nie aber gefundene Einfahrt in den unbegränzten Himmelsraum wähnten, da entdeckte endlich der kühnſte aller Seefahrer Land, menſchenbewohntes, wirkliches, ſeliges Land. Durch ſeine Entdeckung iſt der weite Ocean nicht nur ermeſſen, ſondern den Menſchen auch zum Binnenmeere gemacht worden, um das ſich die Küſten nur zu undenklich weiterem Kreiſe ausbreiten. Hat Columbus uns aber gelehrt den Ocean zu beſchiffen und ſo alle Continente der Erde zu verbinden; iſt durch ſeine Entdeckung weltgeſchichtlich der kurzſichtige nationale Menſch zum allſichtigen, univerſellen, — zum Menſchen überhaupt geworden, — ſo ſind durch den Helden, der das weite, uferloſe Meer der abſoluten Muſik bis an ſeine Gränzen durchſchiffte, die neuen, unge¬ ahnten Küſten gewonnen worden, die dieſes Meer von dem alten unmenſchlichen Continente nun nicht mehr trennt, ſondern für die neugeborene, glückſelige künſtleriſche Menſch¬ heit der Zukunft verbindet; und dieſer Held iſt kein anderer als — Beethoven. — Als die Tonkunſt ſich aus dem Reigen der Schwe¬ ſtern löſte nahm ſie, als unerläßlichſte nächſte Lebens¬ bedingung, — wie die leichtfertige Schweſter Tanzkunſt ſich von ihr das rhythmiſche Maß entnommen hatte, — 4*

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Zitationshilfe: Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850, S. 75. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wagner_zukunft_1850/91>, abgerufen am 21.11.2024.