Wagner, Richard: Das Kunstwerk der Zukunft. Leipzig, 1850.grimmig über Bord warf und nun aller Bande ledig, Doch in der Natur ringt alles Unmäßige nach Maß; grimmig über Bord warf und nun aller Bande ledig, Doch in der Natur ringt alles Unmäßige nach Maß; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0090" n="74"/> grimmig über Bord warf und nun aller Bande ledig,<lb/> ſteuerlos der unerſchöpflichen Willkür der Meereswogen ſich<lb/> übergab. In ungeſtillter, zorniger Liebeswuth regte er<lb/> die Tiefen des Meeres gegen den unerreichbaren Himmel auf:<lb/> die Unerſättlichkeit der Gier des Liebens und Sehnens ſelbſt,<lb/> das gegenſtandslos ewig und ewig nur ſich ſelbſt lieben und<lb/> erſehnen muß, — dieſe tiefſte, unerlösbarſte Hölle des<lb/> raſtloſeſten Egoismus, der ohne Ende ſich ausdehnt,<lb/> wünſcht und will, und ewig und ewig doch nur ſich wün¬<lb/> ſchen und wollen kann, — trieb er gegen die abſtrakte blaue<lb/> Himmelsallgemeinheit an, — das gegenſtandsbedürftigſte<lb/> allgemeine Verlangen — gegen die abſolute Ungegenſtänd¬<lb/> lichkeit ſelbſt. Selig, unbedingt ſelig, im weiteſten, un¬<lb/> gemeſſenſten Sinne <hi rendition="#g">ſelig ſein</hi>, und zugleich doch ganz <hi rendition="#g">es<lb/> ſelbſt</hi> bleiben zu wollen, war die unerſättliche Sehnſucht<lb/> des chriſtlichen Gemüthes. So hob ſich das Meer aus ſeinen<lb/> Tiefen zum Himmel, ſo ſank es vom Himmel immer wieder<lb/> zu ſeinen Tiefen zurück; ewig es ſelbſt, und deshalb ewig<lb/> unbefriedigt, — wie das maßloſe, allbeherrſchende Sehnen<lb/> des Herzens, das nie ſich geben, in einem Gegenſtande<lb/> aufgehen zu dürfen, ſondern nur <hi rendition="#g">es ſelbſt</hi> zu ſein ſich ver¬<lb/> dammt.</p><lb/> <p>Doch in der Natur ringt alles Unmäßige nach Maß;<lb/> alles Gränzenloſe ziehet ſich ſelbſt Gränzen; die Elemente<lb/> verdichten ſich endlich zur beſtimmten Erſcheinung, und auch<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [74/0090]
grimmig über Bord warf und nun aller Bande ledig,
ſteuerlos der unerſchöpflichen Willkür der Meereswogen ſich
übergab. In ungeſtillter, zorniger Liebeswuth regte er
die Tiefen des Meeres gegen den unerreichbaren Himmel auf:
die Unerſättlichkeit der Gier des Liebens und Sehnens ſelbſt,
das gegenſtandslos ewig und ewig nur ſich ſelbſt lieben und
erſehnen muß, — dieſe tiefſte, unerlösbarſte Hölle des
raſtloſeſten Egoismus, der ohne Ende ſich ausdehnt,
wünſcht und will, und ewig und ewig doch nur ſich wün¬
ſchen und wollen kann, — trieb er gegen die abſtrakte blaue
Himmelsallgemeinheit an, — das gegenſtandsbedürftigſte
allgemeine Verlangen — gegen die abſolute Ungegenſtänd¬
lichkeit ſelbſt. Selig, unbedingt ſelig, im weiteſten, un¬
gemeſſenſten Sinne ſelig ſein, und zugleich doch ganz es
ſelbſt bleiben zu wollen, war die unerſättliche Sehnſucht
des chriſtlichen Gemüthes. So hob ſich das Meer aus ſeinen
Tiefen zum Himmel, ſo ſank es vom Himmel immer wieder
zu ſeinen Tiefen zurück; ewig es ſelbſt, und deshalb ewig
unbefriedigt, — wie das maßloſe, allbeherrſchende Sehnen
des Herzens, das nie ſich geben, in einem Gegenſtande
aufgehen zu dürfen, ſondern nur es ſelbſt zu ſein ſich ver¬
dammt.
Doch in der Natur ringt alles Unmäßige nach Maß;
alles Gränzenloſe ziehet ſich ſelbſt Gränzen; die Elemente
verdichten ſich endlich zur beſtimmten Erſcheinung, und auch
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |