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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.

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hob, und eine Thräne bebte im Auge des Alten,
Ehrlichen, wie er da lehrte, und seine Lippen über-
quollen von der Fülle seines Herzens, wie von
Strahlen der ewige Lichtquell der Sonne, er, der
Sohn des Himmels, auf dem Felsen, und um ihn
der endlose, im Morgenroth wallende Aether, rein,
wie seine Dichterseele .....

Atalanta war mir an die Brust gesunken: ich
blickte hinab auf das jugendliche Haupt und fühlte
mein ganzes Wesen überwallen, wie ich sie so nah
mir sah, diese unaussprechliche Schönheit. Jhr
dunkles Auge voll ewigem Frieden weinte verklärt
zum blauen Himmel hinauf, und ich drückte, von
der Seligkeit der Götter durchschauert, einen heißen
Kuß auf ihre keuschen, unentweihten Wangen.

Ja, Atalanta, rief ich endlich, mich erholend
aus der betäubenden Wonne, blick ihn an mit dei-
nem Auge voll Liebe, er ist's! Seine Seele ist un-
ergründlich, wie das Meer, aber durchsichtig, wie
der unermeßliche Aether. An seinen Busen voll
warmem Jugendfeuer drückt er die Natur, wie eine
Braut, und seine Gesänge sind die ewig jugendli-
chen Kinder seiner Liebe. Wie holde Blumen in
einem Kranze schlangen Weisheit, Schönheit, Mä-

hob, und eine Thraͤne bebte im Auge des Alten,
Ehrlichen, wie er da lehrte, und ſeine Lippen uͤber-
quollen von der Fuͤlle ſeines Herzens, wie von
Strahlen der ewige Lichtquell der Sonne, er, der
Sohn des Himmels, auf dem Felſen, und um ihn
der endloſe, im Morgenroth wallende Aether, rein,
wie ſeine Dichterſeele .....

Atalanta war mir an die Bruſt geſunken: ich
blickte hinab auf das jugendliche Haupt und fuͤhlte
mein ganzes Weſen uͤberwallen, wie ich ſie ſo nah
mir ſah, dieſe unausſprechliche Schoͤnheit. Jhr
dunkles Auge voll ewigem Frieden weinte verklaͤrt
zum blauen Himmel hinauf, und ich druͤckte, von
der Seligkeit der Goͤtter durchſchauert, einen heißen
Kuß auf ihre keuſchen, unentweihten Wangen.

Ja, Atalanta, rief ich endlich, mich erholend
aus der betaͤubenden Wonne, blick ihn an mit dei-
nem Auge voll Liebe, er iſt’s! Seine Seele iſt un-
ergruͤndlich, wie das Meer, aber durchſichtig, wie
der unermeßliche Aether. An ſeinen Buſen voll
warmem Jugendfeuer druͤckt er die Natur, wie eine
Braut, und ſeine Geſaͤnge ſind die ewig jugendli-
chen Kinder ſeiner Liebe. Wie holde Blumen in
einem Kranze ſchlangen Weisheit, Schoͤnheit, Maͤ-

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[142/0152] hob, und eine Thraͤne bebte im Auge des Alten, Ehrlichen, wie er da lehrte, und ſeine Lippen uͤber- quollen von der Fuͤlle ſeines Herzens, wie von Strahlen der ewige Lichtquell der Sonne, er, der Sohn des Himmels, auf dem Felſen, und um ihn der endloſe, im Morgenroth wallende Aether, rein, wie ſeine Dichterſeele ..... Atalanta war mir an die Bruſt geſunken: ich blickte hinab auf das jugendliche Haupt und fuͤhlte mein ganzes Weſen uͤberwallen, wie ich ſie ſo nah mir ſah, dieſe unausſprechliche Schoͤnheit. Jhr dunkles Auge voll ewigem Frieden weinte verklaͤrt zum blauen Himmel hinauf, und ich druͤckte, von der Seligkeit der Goͤtter durchſchauert, einen heißen Kuß auf ihre keuſchen, unentweihten Wangen. Ja, Atalanta, rief ich endlich, mich erholend aus der betaͤubenden Wonne, blick ihn an mit dei- nem Auge voll Liebe, er iſt’s! Seine Seele iſt un- ergruͤndlich, wie das Meer, aber durchſichtig, wie der unermeßliche Aether. An ſeinen Buſen voll warmem Jugendfeuer druͤckt er die Natur, wie eine Braut, und ſeine Geſaͤnge ſind die ewig jugendli- chen Kinder ſeiner Liebe. Wie holde Blumen in einem Kranze ſchlangen Weisheit, Schoͤnheit, Maͤ-

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/152>, abgerufen am 21.11.2024.