Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.Phaethon an Theodor. Jch mußte einen Menschen kennen lernen, der auf Und gleichen solche Menschen nicht dem Kna- Phaethon an Theodor. Jch mußte einen Menſchen kennen lernen, der auf Und gleichen ſolche Menſchen nicht dem Kna- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0046" n="36"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#g">Phaethon an Theodor.</hi> </head><lb/> <p><hi rendition="#in">J</hi>ch mußte einen Menſchen kennen lernen, der auf<lb/> ſein Wiſſen ſich gewaltig viel zu gut thut. O wie<lb/> die Menſchen nur ſich einbilden koͤnnen, ſie wiſſen<lb/> etwas. Das iſt der Fluch unſerer Zeit, daß ſie<lb/> ewig nur belehren will mit hiſtoriſchem Wiſſen. Es<lb/> iſt ſuͤndhaft, ſo elend zu verſchleudern ſein Leben.<lb/> Wo die Vernunft, der uͤberirdiſche Funken ſonſt frey<lb/> aus ihrer Tiefe, wie Apollons Prieſterin, Orakel<lb/> ſprach, da ſoll der todte Buchſtabe erſetzen ihr Licht<lb/> und ihre Kraft. Sie erkuͤhnen ſich, auszumeſſen<lb/> den Umfang der Sonne, und vergeſſen d’ruͤber,<lb/> wie die Heilige, allliebend uns, wie eine Mutter,<lb/> an ihren Buſen voll Waͤrme haͤlt. Die Armen!<lb/> weil ſie an der Flamme ſich die Hand verbrennen,<lb/> ſo faſſen ſie die Aſche mit den Haͤnden.</p><lb/> <p>Und gleichen ſolche Menſchen nicht dem Kna-<lb/> ben, der Licht will, am Heerd, auf dem das heil’-<lb/> ge Feuer brennt, voruͤbergehet, und die Lampe<lb/> ins kalte Waſſer taucht, worin, gleich einem Traum,<lb/> das Feuerbild des Mondes ſchwebt?</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [36/0046]
Phaethon an Theodor.
Jch mußte einen Menſchen kennen lernen, der auf
ſein Wiſſen ſich gewaltig viel zu gut thut. O wie
die Menſchen nur ſich einbilden koͤnnen, ſie wiſſen
etwas. Das iſt der Fluch unſerer Zeit, daß ſie
ewig nur belehren will mit hiſtoriſchem Wiſſen. Es
iſt ſuͤndhaft, ſo elend zu verſchleudern ſein Leben.
Wo die Vernunft, der uͤberirdiſche Funken ſonſt frey
aus ihrer Tiefe, wie Apollons Prieſterin, Orakel
ſprach, da ſoll der todte Buchſtabe erſetzen ihr Licht
und ihre Kraft. Sie erkuͤhnen ſich, auszumeſſen
den Umfang der Sonne, und vergeſſen d’ruͤber,
wie die Heilige, allliebend uns, wie eine Mutter,
an ihren Buſen voll Waͤrme haͤlt. Die Armen!
weil ſie an der Flamme ſich die Hand verbrennen,
ſo faſſen ſie die Aſche mit den Haͤnden.
Und gleichen ſolche Menſchen nicht dem Kna-
ben, der Licht will, am Heerd, auf dem das heil’-
ge Feuer brennt, voruͤbergehet, und die Lampe
ins kalte Waſſer taucht, worin, gleich einem Traum,
das Feuerbild des Mondes ſchwebt?
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