gel sich, wie um den Busen eines Mädchens schlin- gen, wo an den Blumenufern, die die Lilie sanft umblüht, der heit're Fischer ins Gewässer blickt, wo zwischen grauen Säulencapitälen und altem moosbewachsenen Gestein, wie ein traurender Geist, die Wehmuth wohnt und die stille Betrachtung, um hohe Felsenadern sich der Epheu rankt, und die kahlen Gipfel, wie ein Eichenblatt, der bunte Schmetterling umflattert -- wo tausend lodernde Cascaden, wie blaue Bänder, über Felsen spru- deln. -- O Kinder, noch ist mir's, als ob ich stünde auf Akrokorinth, und das ganze schöne Land läge vor meinem Auge, wie ein entschleyertes Ge- heimniß, des hohen Argos Gebirge, Achaia, Si- cyon, die Häupter des Riesen Taygetos im milch- weißen Schimmer der Sonne glänzend, der Titane Partenios, die dunkeln Küsten des waldigen Lako- niens, das kampfberühmte Salamis, Megara und das priesterliche Eleusis, die gewaltigen Scheitel des wilden Kitharone, in dessen Schluchten einst der Labdakide weinte, Athens berühmtes Piräos, der Epidauros und Kalaurea!
O Theodor! alle meine Nerven waren ange- spannt, und ich sank weinend in den Schooß des Glücklichen, und alles schwand vor meinen Sinnen,
gel ſich, wie um den Buſen eines Maͤdchens ſchlin- gen, wo an den Blumenufern, die die Lilie ſanft umbluͤht, der heit’re Fiſcher ins Gewaͤſſer blickt, wo zwiſchen grauen Saͤulencapitaͤlen und altem moosbewachſenen Geſtein, wie ein traurender Geiſt, die Wehmuth wohnt und die ſtille Betrachtung, um hohe Felſenadern ſich der Epheu rankt, und die kahlen Gipfel, wie ein Eichenblatt, der bunte Schmetterling umflattert — wo tauſend lodernde Cascaden, wie blaue Baͤnder, uͤber Felſen ſpru- deln. — O Kinder, noch iſt mir’s, als ob ich ſtuͤnde auf Akrokorinth, und das ganze ſchoͤne Land laͤge vor meinem Auge, wie ein entſchleyertes Ge- heimniß, des hohen Argos Gebirge, Achaia, Si- cyon, die Haͤupter des Rieſen Taygetos im milch- weißen Schimmer der Sonne glaͤnzend, der Titane Partenios, die dunkeln Kuͤſten des waldigen Lako- niens, das kampfberuͤhmte Salamis, Megara und das prieſterliche Eleuſis, die gewaltigen Scheitel des wilden Kitharone, in deſſen Schluchten einſt der Labdakide weinte, Athens beruͤhmtes Piraͤos, der Epidauros und Kalaurea!
O Theodor! alle meine Nerven waren ange- ſpannt, und ich ſank weinend in den Schooß des Gluͤcklichen, und alles ſchwand vor meinen Sinnen,
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gel ſich, wie um den Buſen eines Maͤdchens ſchlin-
gen, wo an den Blumenufern, die die Lilie ſanft
umbluͤht, der heit’re Fiſcher ins Gewaͤſſer blickt,
wo zwiſchen grauen Saͤulencapitaͤlen und altem
moosbewachſenen Geſtein, wie ein traurender Geiſt,
die Wehmuth wohnt und die ſtille Betrachtung, um
hohe Felſenadern ſich der Epheu rankt, und die
kahlen Gipfel, wie ein Eichenblatt, der bunte
Schmetterling umflattert — wo tauſend lodernde
Cascaden, wie blaue Baͤnder, uͤber Felſen ſpru-
deln. — O Kinder, noch iſt mir’s, als ob ich
ſtuͤnde auf Akrokorinth, und das ganze ſchoͤne Land
laͤge vor meinem Auge, wie ein entſchleyertes Ge-
heimniß, des hohen Argos Gebirge, Achaia, Si-
cyon, die Haͤupter des Rieſen Taygetos im milch-
weißen Schimmer der Sonne glaͤnzend, der Titane
Partenios, die dunkeln Kuͤſten des waldigen Lako-
niens, das kampfberuͤhmte Salamis, Megara und
das prieſterliche Eleuſis, die gewaltigen Scheitel
des wilden Kitharone, in deſſen Schluchten einſt
der Labdakide weinte, Athens beruͤhmtes Piraͤos,
der Epidauros und Kalaurea!
O Theodor! alle meine Nerven waren ange-
ſpannt, und ich ſank weinend in den Schooß des
Gluͤcklichen, und alles ſchwand vor meinen Sinnen,
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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823, S. 64. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton01_1823/74>, abgerufen am 16.02.2025.
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