Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 1. Stuttgart, 1823.Catons und Cäciliens Auge ruhte mit Wonne Ach Theodor! es war ein gold'ner Tag. Auch Am Abend giengen wir allein im Garten auf Catons und Caͤciliens Auge ruhte mit Wonne Ach Theodor! es war ein gold’ner Tag. Auch Am Abend giengen wir allein im Garten auf <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0086" n="76"/> <p>Catons und Caͤciliens Auge ruhte mit Wonne<lb/> auf dem ſchoͤnen Maͤdchen, und wie ſie auch ſich<lb/> weigerte, ſie mußte den Kranz auf dem Haupte<lb/> dulden.</p><lb/> <p>Ach Theodor! es war ein gold’ner Tag. Auch<lb/> Caton ſpeißte dießmal in dem Schloſſe. Der Son-<lb/> derling ißt ſonſt allein in ſeinem Mauſoleum. Und<lb/> ſie! welch’ eine Seele! welch’ eine Fuͤlle, welch’<lb/> eine Unendlichkeit ihrer Gemuͤthskraft! O es wan-<lb/> deln noch Abbilder der hoͤchſten Schoͤnheit auf der<lb/> Erde. Jch Armer glaubte, der alte Weiſe habe<lb/> uͤber’s Morgenroth hinausgeblickt.</p><lb/> <p>Am Abend giengen wir allein im Garten auf<lb/> und ab, ich und Atalanta. Es war ſchoͤn, unend-<lb/> lich ſchoͤn! Die Natur laͤchelt’ uns an, wie eine<lb/> Mutter ihre lieben Kinder. Aus jedem Blaͤttchen,<lb/> jeder Blume, jeder Quelle, aus jedem Grashalm<lb/> ſprach’s: die Welt iſt ſchoͤn! Mein ganzes Weſen<lb/> war erfriſcht wie die Wieſe, nach einem warmen<lb/> Regen. Sie gieng neben mir, die Schoͤne, Heili-<lb/> ge, und oͤffnete keine Lippe, als wollte ſie kein lei-<lb/> ſes Saͤuſeln in den Blumen uͤberhoͤren. Jhr Ange-<lb/> ſicht war wie ein ſichtbar gewordener, geſtalteter<lb/> Herz und Geiſt durchſchauernder Klang. Jhr Bu-<lb/> ſen ſchwoll der Natur entgegen, wie eine Schweſter<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [76/0086]
Catons und Caͤciliens Auge ruhte mit Wonne
auf dem ſchoͤnen Maͤdchen, und wie ſie auch ſich
weigerte, ſie mußte den Kranz auf dem Haupte
dulden.
Ach Theodor! es war ein gold’ner Tag. Auch
Caton ſpeißte dießmal in dem Schloſſe. Der Son-
derling ißt ſonſt allein in ſeinem Mauſoleum. Und
ſie! welch’ eine Seele! welch’ eine Fuͤlle, welch’
eine Unendlichkeit ihrer Gemuͤthskraft! O es wan-
deln noch Abbilder der hoͤchſten Schoͤnheit auf der
Erde. Jch Armer glaubte, der alte Weiſe habe
uͤber’s Morgenroth hinausgeblickt.
Am Abend giengen wir allein im Garten auf
und ab, ich und Atalanta. Es war ſchoͤn, unend-
lich ſchoͤn! Die Natur laͤchelt’ uns an, wie eine
Mutter ihre lieben Kinder. Aus jedem Blaͤttchen,
jeder Blume, jeder Quelle, aus jedem Grashalm
ſprach’s: die Welt iſt ſchoͤn! Mein ganzes Weſen
war erfriſcht wie die Wieſe, nach einem warmen
Regen. Sie gieng neben mir, die Schoͤne, Heili-
ge, und oͤffnete keine Lippe, als wollte ſie kein lei-
ſes Saͤuſeln in den Blumen uͤberhoͤren. Jhr Ange-
ſicht war wie ein ſichtbar gewordener, geſtalteter
Herz und Geiſt durchſchauernder Klang. Jhr Bu-
ſen ſchwoll der Natur entgegen, wie eine Schweſter
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