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Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

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trat die schmale Stiege hinauf. Ein freundliches
junges Mädchen trat mir entgegen. Jch fragte das
hübsche Kind nach Phaethon. Sie öffnete eine
Thüre! ... Jn einem kleinen engen Stübchen stand
ein Mann mit langem wildem Barte, nur halb
angekleidet, mit großen, unbeschnitt'nen Nägeln,
die Hände auf dem Rücken zusammenschließend,
sich unaufhörlich gegen mich verneigend. Er ist's,
sagte das Mädchen. Jch stand da, wie ein Gerich-
teter. Die Worte starben mir auf der Zunge.
Das Mädchen sprach mir Muth ein. Jch gieng end-
lich auf ihn zu und gab mich ihm zu erkennen. Er
verneigte sich noch tiefer, schüttelte den Kopf, und
lispelte: Eure königliche Majestät kenn' ich nicht!
nein! nein! kenn' ich nicht! nein! Jch schauderte.

Er stand an der Thüre, die Hand auf einen
Stuhl gestützt und die Füße über einander legend.
Unaufhörlich sprach er mit sich selbst in einer Misch-
ung fremder Sprachen und selbsterfundener Worte.
Jch sah ihn starr an. Nur noch matte Spuren
seiner alten Schönheit hatte die furchtbare Krank-
heit zurückgelassen: in seinem großen Aug' allein
war noch Geist, ein unaussprechlich sonderbarer
Blick, der mir durch Mark und Bein schauerte.

Jch fragt' ihn noch Einiges. Er antwortete
aber auf alles mit unverständlichen Worten und

trat die ſchmale Stiege hinauf. Ein freundliches
junges Maͤdchen trat mir entgegen. Jch fragte das
huͤbſche Kind nach Phaethon. Sie oͤffnete eine
Thuͤre! … Jn einem kleinen engen Stuͤbchen ſtand
ein Mann mit langem wildem Barte, nur halb
angekleidet, mit großen, unbeſchnitt’nen Naͤgeln,
die Haͤnde auf dem Ruͤcken zuſammenſchließend,
ſich unaufhoͤrlich gegen mich verneigend. Er iſt’s,
ſagte das Maͤdchen. Jch ſtand da, wie ein Gerich-
teter. Die Worte ſtarben mir auf der Zunge.
Das Maͤdchen ſprach mir Muth ein. Jch gieng end-
lich auf ihn zu und gab mich ihm zu erkennen. Er
verneigte ſich noch tiefer, ſchuͤttelte den Kopf, und
liſpelte: Eure koͤnigliche Majeſtaͤt kenn’ ich nicht!
nein! nein! kenn’ ich nicht! nein! Jch ſchauderte.

Er ſtand an der Thuͤre, die Hand auf einen
Stuhl geſtuͤtzt und die Fuͤße uͤber einander legend.
Unaufhoͤrlich ſprach er mit ſich ſelbſt in einer Miſch-
ung fremder Sprachen und ſelbſterfundener Worte.
Jch ſah ihn ſtarr an. Nur noch matte Spuren
ſeiner alten Schoͤnheit hatte die furchtbare Krank-
heit zuruͤckgelaſſen: in ſeinem großen Aug’ allein
war noch Geiſt, ein unausſprechlich ſonderbarer
Blick, der mir durch Mark und Bein ſchauerte.

Jch fragt’ ihn noch Einiges. Er antwortete
aber auf alles mit unverſtaͤndlichen Worten und

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[159/0159] trat die ſchmale Stiege hinauf. Ein freundliches junges Maͤdchen trat mir entgegen. Jch fragte das huͤbſche Kind nach Phaethon. Sie oͤffnete eine Thuͤre! … Jn einem kleinen engen Stuͤbchen ſtand ein Mann mit langem wildem Barte, nur halb angekleidet, mit großen, unbeſchnitt’nen Naͤgeln, die Haͤnde auf dem Ruͤcken zuſammenſchließend, ſich unaufhoͤrlich gegen mich verneigend. Er iſt’s, ſagte das Maͤdchen. Jch ſtand da, wie ein Gerich- teter. Die Worte ſtarben mir auf der Zunge. Das Maͤdchen ſprach mir Muth ein. Jch gieng end- lich auf ihn zu und gab mich ihm zu erkennen. Er verneigte ſich noch tiefer, ſchuͤttelte den Kopf, und liſpelte: Eure koͤnigliche Majeſtaͤt kenn’ ich nicht! nein! nein! kenn’ ich nicht! nein! Jch ſchauderte. Er ſtand an der Thuͤre, die Hand auf einen Stuhl geſtuͤtzt und die Fuͤße uͤber einander legend. Unaufhoͤrlich ſprach er mit ſich ſelbſt in einer Miſch- ung fremder Sprachen und ſelbſterfundener Worte. Jch ſah ihn ſtarr an. Nur noch matte Spuren ſeiner alten Schoͤnheit hatte die furchtbare Krank- heit zuruͤckgelaſſen: in ſeinem großen Aug’ allein war noch Geiſt, ein unausſprechlich ſonderbarer Blick, der mir durch Mark und Bein ſchauerte. Jch fragt’ ihn noch Einiges. Er antwortete aber auf alles mit unverſtaͤndlichen Worten und

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Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/159>, abgerufen am 21.11.2024.