Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

des allzerstörenden, männerzermalmenden Schlacht-
gewühls -- Mordende und Gemordete -- Weinen-
de, den furchtbaren Gesang des Ais und der Erin-
nyen Singende .....

Jch feuerte meine Genossen an: sie rasten in
Kampflust. Der Bey von Misitra ward gemordet.

Kinder! ich nahe nun dem unglücklichsten Theil
meines Lebens. Laßt mich kurz seyn in meiner
Erzählung! ... O sie schmerzt mich.

Achaia, Arkadien und Argos hatten die Fes-
seln abgeworfen. Orlow war mit sechs Schiffen
erschienen. Wir Mainotten wollten nach dem Jsth-
mos ziehen.

Noch wußte meine Theone nichts.

Den Tag vor dem Abzug trat ich vor sie hin.
Die junge schöne Mutter saß auf einem Stuhle,
und säugt' ihr Kind am weißen Busen und blickte
so schmerzlich süß auf das Kleine herab, als wenn
sein Trinken sie verletzte. Dann drückte sie mir die
Hand und lächelte.

Jch fiel ihr um den Hals. Theone, rief ich,
wir müssen scheiden. Das Vaterland ruft. Bald

des allzerſtoͤrenden, maͤnnerzermalmenden Schlacht-
gewuͤhls — Mordende und Gemordete — Weinen-
de, den furchtbaren Geſang des Aïs und der Erin-
nyen Singende .....

Jch feuerte meine Genoſſen an: ſie raſten in
Kampfluſt. Der Bey von Miſitra ward gemordet.

Kinder! ich nahe nun dem ungluͤcklichſten Theil
meines Lebens. Laßt mich kurz ſeyn in meiner
Erzaͤhlung! … O ſie ſchmerzt mich.

Achaia, Arkadien und Argos hatten die Feſ-
ſeln abgeworfen. Orlow war mit ſechs Schiffen
erſchienen. Wir Mainotten wollten nach dem Jſth-
mos ziehen.

Noch wußte meine Theone nichts.

Den Tag vor dem Abzug trat ich vor ſie hin.
Die junge ſchoͤne Mutter ſaß auf einem Stuhle,
und ſaͤugt’ ihr Kind am weißen Buſen und blickte
ſo ſchmerzlich ſuͤß auf das Kleine herab, als wenn
ſein Trinken ſie verletzte. Dann druͤckte ſie mir die
Hand und laͤchelte.

Jch fiel ihr um den Hals. Theone, rief ich,
wir muͤſſen ſcheiden. Das Vaterland ruft. Bald

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0043" n="43"/>
des allzer&#x017F;to&#x0364;renden, ma&#x0364;nnerzermalmenden Schlacht-<lb/>
gewu&#x0364;hls &#x2014; Mordende und Gemordete &#x2014; Weinen-<lb/>
de, den furchtbaren Ge&#x017F;ang des A<hi rendition="#aq">ï</hi>s und der Erin-<lb/>
nyen Singende .....</p><lb/>
        <p>Jch feuerte meine Geno&#x017F;&#x017F;en an: &#x017F;ie ra&#x017F;ten in<lb/>
Kampflu&#x017F;t. Der Bey von Mi&#x017F;itra ward gemordet.</p><lb/>
        <p>Kinder! ich nahe nun dem unglu&#x0364;cklich&#x017F;ten Theil<lb/>
meines Lebens. Laßt mich kurz &#x017F;eyn in meiner<lb/>
Erza&#x0364;hlung! &#x2026; O &#x017F;ie &#x017F;chmerzt mich.</p><lb/>
        <p>Achaia, Arkadien und Argos hatten die Fe&#x017F;-<lb/>
&#x017F;eln abgeworfen. Orlow war mit &#x017F;echs Schiffen<lb/>
er&#x017F;chienen. Wir Mainotten wollten nach dem J&#x017F;th-<lb/>
mos ziehen.</p><lb/>
        <p>Noch wußte meine Theone nichts.</p><lb/>
        <p>Den Tag vor dem Abzug trat ich vor &#x017F;ie hin.<lb/>
Die junge &#x017F;cho&#x0364;ne Mutter &#x017F;aß auf einem Stuhle,<lb/>
und &#x017F;a&#x0364;ugt&#x2019; ihr Kind am weißen Bu&#x017F;en und blickte<lb/>
&#x017F;o &#x017F;chmerzlich &#x017F;u&#x0364;ß auf das Kleine herab, als wenn<lb/>
&#x017F;ein Trinken &#x017F;ie verletzte. Dann dru&#x0364;ckte &#x017F;ie mir die<lb/>
Hand und la&#x0364;chelte.</p><lb/>
        <p>Jch fiel ihr um den Hals. Theone, rief ich,<lb/>
wir mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;cheiden. Das Vaterland ruft. Bald<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0043] des allzerſtoͤrenden, maͤnnerzermalmenden Schlacht- gewuͤhls — Mordende und Gemordete — Weinen- de, den furchtbaren Geſang des Aïs und der Erin- nyen Singende ..... Jch feuerte meine Genoſſen an: ſie raſten in Kampfluſt. Der Bey von Miſitra ward gemordet. Kinder! ich nahe nun dem ungluͤcklichſten Theil meines Lebens. Laßt mich kurz ſeyn in meiner Erzaͤhlung! … O ſie ſchmerzt mich. Achaia, Arkadien und Argos hatten die Feſ- ſeln abgeworfen. Orlow war mit ſechs Schiffen erſchienen. Wir Mainotten wollten nach dem Jſth- mos ziehen. Noch wußte meine Theone nichts. Den Tag vor dem Abzug trat ich vor ſie hin. Die junge ſchoͤne Mutter ſaß auf einem Stuhle, und ſaͤugt’ ihr Kind am weißen Buſen und blickte ſo ſchmerzlich ſuͤß auf das Kleine herab, als wenn ſein Trinken ſie verletzte. Dann druͤckte ſie mir die Hand und laͤchelte. Jch fiel ihr um den Hals. Theone, rief ich, wir muͤſſen ſcheiden. Das Vaterland ruft. Bald

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/43
Zitationshilfe: Waiblinger, Wilhelm: Phaëthon. Bd. 2. Stuttgart, 1823, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waiblinger_phaeton02_1823/43>, abgerufen am 21.11.2024.