Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Drittes Kapitel. Aussprechen. Bei dem Pfade, der über die Gänseweide nach dem Wittwenhause führte, stand der Küster nachdenkend still. Die Nachricht in dem Anzeigeblatt war nagelneu. Kaum ein anderer Gast mochte vor ihm im Kruge gewesen sein. Er schwankte, ob es sich für ihn zieme, der Nächstbetheiligten die Kunde zu hinterbringen. Seit des Pfarrers Tode hatte er nur in Berufsgeschäften hin und wieder das Wittwenhaus betreten; in den letzten drei Monaten gab es auch deren nicht mehr, und so schien ihm der Gang bedenklicher, als er in Wirklichkeit sein mochte. Nicht daß er das Auge der ihm etwa nachblickenden Krugwirthin fürchtete, oder die Wachsamkeit der Seifensiederstochter gerade neben dem Spritzenhause, oder den mit Hanf in der Schürze hin- und hergehenden Seiler, der über alle Vorfälle in Hedeper Buch führte. In seiner Zurückhaltung gegen die Wittwe seines ehemaligen Vorgesetzten lag eine andere Art Scheu, theils durch den auf sie übertragenen Respect vor diesem seinem Vorgesetzten veranlaßt, theils durch eine höfliche, entfernt haltende Weise der Wittwe selbst, einen gegen ihn nie veränderten Ton, der nach und nach dem Küster ganz aus der Erinnerung brachte, daß er vor Zeiten Drittes Kapitel. Aussprechen. Bei dem Pfade, der über die Gänseweide nach dem Wittwenhause führte, stand der Küster nachdenkend still. Die Nachricht in dem Anzeigeblatt war nagelneu. Kaum ein anderer Gast mochte vor ihm im Kruge gewesen sein. Er schwankte, ob es sich für ihn zieme, der Nächstbetheiligten die Kunde zu hinterbringen. Seit des Pfarrers Tode hatte er nur in Berufsgeschäften hin und wieder das Wittwenhaus betreten; in den letzten drei Monaten gab es auch deren nicht mehr, und so schien ihm der Gang bedenklicher, als er in Wirklichkeit sein mochte. Nicht daß er das Auge der ihm etwa nachblickenden Krugwirthin fürchtete, oder die Wachsamkeit der Seifensiederstochter gerade neben dem Spritzenhause, oder den mit Hanf in der Schürze hin- und hergehenden Seiler, der über alle Vorfälle in Hedeper Buch führte. In seiner Zurückhaltung gegen die Wittwe seines ehemaligen Vorgesetzten lag eine andere Art Scheu, theils durch den auf sie übertragenen Respect vor diesem seinem Vorgesetzten veranlaßt, theils durch eine höfliche, entfernt haltende Weise der Wittwe selbst, einen gegen ihn nie veränderten Ton, der nach und nach dem Küster ganz aus der Erinnerung brachte, daß er vor Zeiten <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0031"/> <div type="chapter" n="3"> <head>Drittes Kapitel. Aussprechen.</head> <p>Bei dem Pfade, der über die Gänseweide nach dem Wittwenhause führte, stand der Küster nachdenkend still. Die Nachricht in dem Anzeigeblatt war nagelneu. Kaum ein anderer Gast mochte vor ihm im Kruge gewesen sein. Er schwankte, ob es sich für ihn zieme, der Nächstbetheiligten die Kunde zu hinterbringen. Seit des Pfarrers Tode hatte er nur in Berufsgeschäften hin und wieder das Wittwenhaus betreten; in den letzten drei Monaten gab es auch deren nicht mehr, und so schien ihm der Gang bedenklicher, als er in Wirklichkeit sein mochte. Nicht daß er das Auge der ihm etwa nachblickenden Krugwirthin fürchtete, oder die Wachsamkeit der Seifensiederstochter gerade neben dem Spritzenhause, oder den mit Hanf in der Schürze hin- und hergehenden Seiler, der über alle Vorfälle in Hedeper Buch führte. In seiner Zurückhaltung gegen die Wittwe seines ehemaligen Vorgesetzten lag eine andere Art Scheu, theils durch den auf sie übertragenen Respect vor diesem seinem Vorgesetzten veranlaßt, theils durch eine höfliche, entfernt haltende Weise der Wittwe selbst, einen gegen ihn nie veränderten Ton, der nach und nach dem Küster ganz aus der Erinnerung brachte, daß er vor Zeiten<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0031]
Drittes Kapitel. Aussprechen. Bei dem Pfade, der über die Gänseweide nach dem Wittwenhause führte, stand der Küster nachdenkend still. Die Nachricht in dem Anzeigeblatt war nagelneu. Kaum ein anderer Gast mochte vor ihm im Kruge gewesen sein. Er schwankte, ob es sich für ihn zieme, der Nächstbetheiligten die Kunde zu hinterbringen. Seit des Pfarrers Tode hatte er nur in Berufsgeschäften hin und wieder das Wittwenhaus betreten; in den letzten drei Monaten gab es auch deren nicht mehr, und so schien ihm der Gang bedenklicher, als er in Wirklichkeit sein mochte. Nicht daß er das Auge der ihm etwa nachblickenden Krugwirthin fürchtete, oder die Wachsamkeit der Seifensiederstochter gerade neben dem Spritzenhause, oder den mit Hanf in der Schürze hin- und hergehenden Seiler, der über alle Vorfälle in Hedeper Buch führte. In seiner Zurückhaltung gegen die Wittwe seines ehemaligen Vorgesetzten lag eine andere Art Scheu, theils durch den auf sie übertragenen Respect vor diesem seinem Vorgesetzten veranlaßt, theils durch eine höfliche, entfernt haltende Weise der Wittwe selbst, einen gegen ihn nie veränderten Ton, der nach und nach dem Küster ganz aus der Erinnerung brachte, daß er vor Zeiten
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T12:58:19Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T12:58:19Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |