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Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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leitung machen. Die Röthe der Frau Anna wurde dadurch nicht vermindert; dem Küster fiel das heutige Thurmlied ein und seine Vermuthung über die Textkenntniß seiner wahrscheinlichen Zuhörerin. Er fühlte seine gehobene Morgenstimmung wiederkehren und führte die Hand der Wittwe an seine Lippen.

Nie in seinem Leben war ihm das begegnet. Wie es kam, wußte er selbst nicht, sie nicht viel mehr, doch ließ sie's geschehen und wandte sich nur mit einem Blicke seitwärts, der Kinder gedenkend, die ohne Ahnung der bedeutungsvollen Minute an ihren Spagatfäden fortknüpften.

Was auf seinen Lippen schwebte und doch nicht zu Worte kam, verstand sie mit dem liebegeschärften Blick eines weiblichen Auges. Ihr war, als fahre ein thränenfeuchter Schwamm über die Schicksalstafeln ihrer letzten zehn Jahre, als sei sie noch einmal jung und dürfe diesmal ihr Herz frei verschenken, ohne eine Binde um die Augen zu haben. Sie warf einen flüchtigen Blick in des Jugendgespielen Auge und schlug das ihre dann nieder. Nicht mehr der Worte bedurft' es; wie sie zu ihm stand, wie er zu ihr, war Beiden in diesem Einen Blicke deutlicher geworden, als alle Reden der Welt ihnen es hätten deutlich machen können. Klangen ja Worte durch ihre Seelen, so waren's die des alten Liebesliedes!

"Und wenn ich sollt' groß Unglück han, Da liegt nicht dran!"

Da liegt nicht dran, da liegt nicht dran! klang's fort

leitung machen. Die Röthe der Frau Anna wurde dadurch nicht vermindert; dem Küster fiel das heutige Thurmlied ein und seine Vermuthung über die Textkenntniß seiner wahrscheinlichen Zuhörerin. Er fühlte seine gehobene Morgenstimmung wiederkehren und führte die Hand der Wittwe an seine Lippen.

Nie in seinem Leben war ihm das begegnet. Wie es kam, wußte er selbst nicht, sie nicht viel mehr, doch ließ sie's geschehen und wandte sich nur mit einem Blicke seitwärts, der Kinder gedenkend, die ohne Ahnung der bedeutungsvollen Minute an ihren Spagatfäden fortknüpften.

Was auf seinen Lippen schwebte und doch nicht zu Worte kam, verstand sie mit dem liebegeschärften Blick eines weiblichen Auges. Ihr war, als fahre ein thränenfeuchter Schwamm über die Schicksalstafeln ihrer letzten zehn Jahre, als sei sie noch einmal jung und dürfe diesmal ihr Herz frei verschenken, ohne eine Binde um die Augen zu haben. Sie warf einen flüchtigen Blick in des Jugendgespielen Auge und schlug das ihre dann nieder. Nicht mehr der Worte bedurft' es; wie sie zu ihm stand, wie er zu ihr, war Beiden in diesem Einen Blicke deutlicher geworden, als alle Reden der Welt ihnen es hätten deutlich machen können. Klangen ja Worte durch ihre Seelen, so waren's die des alten Liebesliedes!

„Und wenn ich sollt' groß Unglück han, Da liegt nicht dran!“

Da liegt nicht dran, da liegt nicht dran! klang's fort

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[0086] leitung machen. Die Röthe der Frau Anna wurde dadurch nicht vermindert; dem Küster fiel das heutige Thurmlied ein und seine Vermuthung über die Textkenntniß seiner wahrscheinlichen Zuhörerin. Er fühlte seine gehobene Morgenstimmung wiederkehren und führte die Hand der Wittwe an seine Lippen. Nie in seinem Leben war ihm das begegnet. Wie es kam, wußte er selbst nicht, sie nicht viel mehr, doch ließ sie's geschehen und wandte sich nur mit einem Blicke seitwärts, der Kinder gedenkend, die ohne Ahnung der bedeutungsvollen Minute an ihren Spagatfäden fortknüpften. Was auf seinen Lippen schwebte und doch nicht zu Worte kam, verstand sie mit dem liebegeschärften Blick eines weiblichen Auges. Ihr war, als fahre ein thränenfeuchter Schwamm über die Schicksalstafeln ihrer letzten zehn Jahre, als sei sie noch einmal jung und dürfe diesmal ihr Herz frei verschenken, ohne eine Binde um die Augen zu haben. Sie warf einen flüchtigen Blick in des Jugendgespielen Auge und schlug das ihre dann nieder. Nicht mehr der Worte bedurft' es; wie sie zu ihm stand, wie er zu ihr, war Beiden in diesem Einen Blicke deutlicher geworden, als alle Reden der Welt ihnen es hätten deutlich machen können. Klangen ja Worte durch ihre Seelen, so waren's die des alten Liebesliedes! „Und wenn ich sollt' groß Unglück han, Da liegt nicht dran!“ Da liegt nicht dran, da liegt nicht dran! klang's fort

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:58:19Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:58:19Z)

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Zitationshilfe: Robert, Waldmüller [d. i. Charles Edouard Duboc]: Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 10. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 203–295. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/waldmueller_allein_1910/86>, abgerufen am 23.11.2024.