Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800.
wüßte der Himmel, wer der Mann wär, wenn gleich die vornehmen Herren zuweilen zu ihm ge- kommen wären, so bewieß das nichts, er könnte ihnen auch wohl was weiß gemacht haben, jetzt kämen sie doch nicht mehr, sondern er überlief sie. Und was säß er denn ewig da? Schnitzer widerlegte diese Reden so gut er konnte, er bemühte sich seiner Frau die hohe Mei- nung, die er von seinem Gast hatte, selbst beizu- bringen und ihr so glaublich zu machen, wie es ihm selbst war, daß hinter dem geheimnißvollen Stillschweigen über Felßens eigentlichen Stand ge- wiß ein großer Herr verborgen wäre, daß ein so vernünftiger, tugendhafter und gelehrter Mann durchaus etwas Wichtiges im Schilde führen müßte. Aber alles das schlug bei Frau Suschen nicht an; Felß ließ nichts drauf gehn, spielte nicht, nahm nicht Theil am Soupe spirituel, und hatte es sogar ausgeschlagen, als man ihn dazu Gastweise eingeladen. Er hatte mit keinem im Gasthofe, auch nicht mit dem Baron Treff, der doch fast immer da war, Umgang und sprach mit ihm und der Frau Wirthin nie mehr, als er der Höflichkeit gemäß sprechen mußte. Dennoch hat- te die letzte vollkommen recht, einen Mann, der zu gar nichts gut war und durch sein stilles Be- tra- O
wuͤßte der Himmel, wer der Mann waͤr, wenn gleich die vornehmen Herren zuweilen zu ihm ge- kommen waͤren, ſo bewieß das nichts, er koͤnnte ihnen auch wohl was weiß gemacht haben, jetzt kaͤmen ſie doch nicht mehr, ſondern er uͤberlief ſie. Und was ſaͤß er denn ewig da? Schnitzer widerlegte dieſe Reden ſo gut er konnte, er bemuͤhte ſich ſeiner Frau die hohe Mei- nung, die er von ſeinem Gaſt hatte, ſelbſt beizu- bringen und ihr ſo glaublich zu machen, wie es ihm ſelbſt war, daß hinter dem geheimnißvollen Stillſchweigen uͤber Felßens eigentlichen Stand ge- wiß ein großer Herr verborgen waͤre, daß ein ſo vernuͤnftiger, tugendhafter und gelehrter Mann durchaus etwas Wichtiges im Schilde fuͤhren muͤßte. Aber alles das ſchlug bei Frau Suschen nicht an; Felß ließ nichts drauf gehn, ſpielte nicht, nahm nicht Theil am Soupé spirituel, und hatte es ſogar ausgeſchlagen, als man ihn dazu Gaſtweiſe eingeladen. Er hatte mit keinem im Gaſthofe, auch nicht mit dem Baron Treff, der doch faſt immer da war, Umgang und ſprach mit ihm und der Frau Wirthin nie mehr, als er der Hoͤflichkeit gemaͤß ſprechen mußte. Dennoch hat- te die letzte vollkommen recht, einen Mann, der zu gar nichts gut war und durch ſein ſtilles Be- tra- O
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wuͤßte der Himmel, wer der Mann waͤr, wenn
gleich die vornehmen Herren zuweilen zu ihm ge-
kommen waͤren, ſo bewieß das nichts, er koͤnnte
ihnen auch wohl was weiß gemacht haben, jetzt
kaͤmen ſie doch nicht mehr, ſondern er uͤberlief ſie.
Und was ſaͤß er denn ewig da?
Schnitzer widerlegte dieſe Reden ſo gut er
konnte, er bemuͤhte ſich ſeiner Frau die hohe Mei-
nung, die er von ſeinem Gaſt hatte, ſelbſt beizu-
bringen und ihr ſo glaublich zu machen, wie es
ihm ſelbſt war, daß hinter dem geheimnißvollen
Stillſchweigen uͤber Felßens eigentlichen Stand ge-
wiß ein großer Herr verborgen waͤre, daß ein ſo
vernuͤnftiger, tugendhafter und gelehrter Mann
durchaus etwas Wichtiges im Schilde fuͤhren
muͤßte. Aber alles das ſchlug bei Frau Suschen
nicht an; Felß ließ nichts drauf gehn, ſpielte nicht,
nahm nicht Theil am Soupé spirituel, und
hatte es ſogar ausgeſchlagen, als man ihn dazu
Gaſtweiſe eingeladen. Er hatte mit keinem im
Gaſthofe, auch nicht mit dem Baron Treff, der
doch faſt immer da war, Umgang und ſprach mit
ihm und der Frau Wirthin nie mehr, als er der
Hoͤflichkeit gemaͤß ſprechen mußte. Dennoch hat-
te die letzte vollkommen recht, einen Mann, der
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