Mehrheit ist und wird immer auf unsrer Seite bleiben, da besonders so viele der Lehrer und Erzie- her, da Leute von hoher Geburt und Würde, so wie Schriftsteller aller Art in Menge zu den Un- sern gehören. Diese haben sich Masquen machen lassen, in denen sie, wo es nöthig ist, auch als Geistmenschen erscheinen, dann richten sie noch dazu weit mehr aus, als die wirklichen und kön- nen wieder in die Thierhaut fahren, so bald Vor- theil oder Leidenschaft es heischt. -- Das ist doch wohl bequemer, als sich ganz zu entthieren. --
Nach diesen Reflections kehre ich zu meiner Geschichte zurück und melde meinen Lesern, was Frau Suschen ihrem Johann meldete, nemlich, daß sie sich gesegneten Leibes befände.
Er hörte diese Nachricht mit ungemeiner Freude, und nahm sich vor, seinen künftigen Er- ben zu einem Geistmenschen zu machen; dies Wort zwar war ihm fremd, aber weil er sich vornahm, einen ehrlichen, gesitteten, tugendhaften Menschen aus ihm zu erziehn, und ihm Wissenschaften aller Art beibringen zu lassen, damit er sich durch syste- matische Grundsätze noch mehr veredeln möchte, so wollte er doch eben das damit sagen. Er nahm sich ferner heimlich vor, ihn sobald als möglich aus den Händen der Mutter zu nehmen, und
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Mehrheit iſt und wird immer auf unſrer Seite bleiben, da beſonders ſo viele der Lehrer und Erzie- her, da Leute von hoher Geburt und Wuͤrde, ſo wie Schriftſteller aller Art in Menge zu den Un- ſern gehoͤren. Dieſe haben ſich Maſquen machen laſſen, in denen ſie, wo es noͤthig iſt, auch als Geiſtmenſchen erſcheinen, dann richten ſie noch dazu weit mehr aus, als die wirklichen und koͤn- nen wieder in die Thierhaut fahren, ſo bald Vor- theil oder Leidenſchaft es heiſcht. — Das iſt doch wohl bequemer, als ſich ganz zu entthieren. —
Nach dieſen Reflections kehre ich zu meiner Geſchichte zuruͤck und melde meinen Leſern, was Frau Suschen ihrem Johann meldete, nemlich, daß ſie ſich geſegneten Leibes befaͤnde.
Er hoͤrte dieſe Nachricht mit ungemeiner Freude, und nahm ſich vor, ſeinen kuͤnftigen Er- ben zu einem Geiſtmenſchen zu machen; dies Wort zwar war ihm fremd, aber weil er ſich vornahm, einen ehrlichen, geſitteten, tugendhaften Menſchen aus ihm zu erziehn, und ihm Wiſſenſchaften aller Art beibringen zu laſſen, damit er ſich durch ſyſte- matiſche Grundſaͤtze noch mehr veredeln moͤchte, ſo wollte er doch eben das damit ſagen. Er nahm ſich ferner heimlich vor, ihn ſobald als moͤglich aus den Haͤnden der Mutter zu nehmen, und
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Mehrheit iſt und wird immer auf unſrer Seite
bleiben, da beſonders ſo viele der Lehrer und Erzie-
her, da Leute von hoher Geburt und Wuͤrde, ſo
wie Schriftſteller aller Art in Menge zu den Un-
ſern gehoͤren. Dieſe haben ſich Maſquen machen
laſſen, in denen ſie, wo es noͤthig iſt, auch als
Geiſtmenſchen erſcheinen, dann richten ſie noch
dazu weit mehr aus, als die wirklichen und koͤn-
nen wieder in die Thierhaut fahren, ſo bald Vor-
theil oder Leidenſchaft es heiſcht. — Das iſt doch
wohl bequemer, als ſich ganz zu entthieren. —
Nach dieſen Reflections kehre ich zu meiner
Geſchichte zuruͤck und melde meinen Leſern, was
Frau Suschen ihrem Johann meldete, nemlich,
daß ſie ſich geſegneten Leibes befaͤnde.
Er hoͤrte dieſe Nachricht mit ungemeiner
Freude, und nahm ſich vor, ſeinen kuͤnftigen Er-
ben zu einem Geiſtmenſchen zu machen; dies Wort
zwar war ihm fremd, aber weil er ſich vornahm,
einen ehrlichen, geſitteten, tugendhaften Menſchen
aus ihm zu erziehn, und ihm Wiſſenſchaften aller
Art beibringen zu laſſen, damit er ſich durch ſyſte-
matiſche Grundſaͤtze noch mehr veredeln moͤchte, ſo
wollte er doch eben das damit ſagen. Er nahm
ſich ferner heimlich vor, ihn ſobald als moͤglich
aus den Haͤnden der Mutter zu nehmen, und
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Wallenrodt, Johanna Isabella Eleonore von: Fritz, der Mann wie er nicht seyn sollte oder die Folgen einer übeln Erziehung. Bd. 1. Gera, 1800, S. 272. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wallenrodt_fritz01_1800/278>, abgerufen am 22.11.2024.
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